War es ein Spielen auf Zeit, das vor Wochen am Landgericht ein Urteil verhinderte? Der Mann aus dem westlichen Lichtenfelser Landkreis, dem vorgeworfen wurde, die Verbreitung pornografischer Schriften in Tateinheit mit Beleidigung betrieben zu haben, sollte zu einem zweiten Prozesstag und dritten Prozesstag erneut vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Karolin Lindner stehen. Erst wegen eines Schriftgutachtens und dann wegen des Urteils. Es sollte unlängst beim zweiten Prozesstag samt Urteil bleiben.
Es ging um einen Vorfall vom August 2020, der im März 2021 Amtsgericht Lichtenfels abgeurteilt wurde und durch Anfechtung an höherer Instanz und somit am Landgericht landete. Im August 2020 entdeckte eine Passantin an der Windschutzscheibe eines im südwestlichen Lichtenfelser Landkreis parkenden Autos das Foto, welches den nackten Unterleib einer Frau samt weit gespreizter Beine zeigt. Doch der Kopf der Abgebildeten war durch das Foto der Noch-Ehefrau des 55-jährigen Arbeiters und Angeklagten ausgetauscht worden.
Passantin meldet den Vorfall der Polizei
Die Zeugin meldete den Fotovorfall der Polizei, und die hegte den Verdacht, dass diese Ehrverletzung vom Ehemann der bloßgestellten Frau begonnen worden sei. Es kam somit zur Hausdurchsuchung, es kam zur Sicherstellung von möglichen Beweismitteln und auch zu einem Prozess am Amtsgericht Lichtenfels. Doch gegen den dort ergangenen Schuldspruch in Höhe von vier Monaten Haft auf Bewährung, ging der Mittfünfziger in Berufung und so kam es zu einem neuerlichen Aufeinandertreffen des einstigen Ehepaars.
„Für mich war das damals sehr peinlich, weil ich am Pranger gestanden war. Ich habe bis gestern versucht, ein normales Leben zu leben (…) ich möchte mit dem Herren nichts mehr zu tun haben“, erklärte die einstige Ehefrau. Auf die Nachfrage von Richterin Lindner, ob für diese Tat wirklich nur ihr einstiger Mann in Betracht komme, gab die Gefragte zur Antwort, dass dies schon darum so sei, weil er „keine Freundschaften pflegte“.
Der Eindruck, den der Angeklagte am ersten Prozesstag hinterließ, war zwar ein ruhiger, aber auch ein fragwürdiger. Auch darum, weil er „keinen Kontakt“ zu seinen Kindern wolle. Seine einstige Frau jedenfalls ließ gegenüber dem Gericht mehr als anklingen, dass sie ihre neue Adresse nicht nennen möchte, da ihr einstiger Mann zum Ohrenzeugen dieser Nennung würde.
Denn dann würde er sie „wieder terrorisieren“. Schon zum Fasching 2020 sei ein Nacktbild von ihr unterwegs gewesen. Was am ersten Verhandlungstag aus Sicht von Verteidiger Marc Brab einen zweiten Prozesstag notwendig machen sollte, war ein angestrebter Schriftvergleich. Er verwies darauf, dass das im Hause seines Mandanten aufgefundene Schrifttum womöglich nicht stilistisch und sonstwie dem an der Windschutzscheibe aufgefundenen ähnele. So kam es unlängst zu Prüfungen und Vergleichen durch Kripo-Sachverständige. Ein Indiz, das aber sehr wohl für die Schuld des 55-Jährigen gesprochen haben dürfte, lag in dem Umstand, dass er seine damalige Frau mit Ostgotin titulierte, das Wort Ostgotin aber fälschlich mit -th schrieb.
Es dürfte nicht viele Menschen geben, die sich dieser Schreibweise bedienen, und sie lag sowohl auf der Windschutzscheibe wie auch auf einem Blatt im Haus des Angeklagten vor. Aus strafprozessualen Gründen konnte Richterin Lindner einen zweiten Prozesstag und die Einholung des Gutachtens nicht verwehren. Was blieb, war noch die Beleuchtung der Lebensumstände, in denen sich der Angeklagte befindet. Zu ihnen gehören auch ein Schuldenstand von rund 17.000 Euro.
Vier Monate Haft zur Bewährung
Bis dato zweimal kollidierte der Angeklagte mit dem Gesetz, und es handelte sich um zwei Beleidigungen und eine Trunkenheitsfahrt. Die Folge: Geldbußen. Nun sollte ein weiteres Urteil gegen ihn ergehen. Es bestand weitestgehend in der Bekräftigung des Urteils, welches vor einem Jahr am Amtsgercht ausgesprochen wurde. Es blieb bei vier Monaten Haft zur Bewährung, allerdings ohne Geldbußauflage.