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LICHTENFELS

Stadtrat Lichtenfels: Wer macht die geheimen Infos publik?

In Pandemie-Zeiten konnten Stadträte den Sitzungen via Zoom folgen. Foto: Markus Drossel

Plötzlich stand ein ungeheurer Vorwurf im Raum: Immer wieder waren laut Bürgermeister Andreas Hügerich (SPD) in jüngster Zeit sensible Informationen aus nichtöffentlichen Sitzungen quasi postwendend publik geworden. Waren die Übertragungen der Sitzung via Zoom der Grund dafür, durch die Stadträtinnen und -räte online zuhören konnten?

Auslöser der Debatte war eine Anfrage von Philip Bogdahn (SPD). In Corona-Zeiten hatten die Stadträtinnen den Stadträte die Möglichkeit gehabt, sich über das Internet zu Sitzungen zuzuschalten und so den Debatten zu lauschen – „Radio Stadtrat“ nannte das Christian Barth (Junge Bürger) liebevoll, wenn auch leicht inkorrekt, da auch die Kamera aktiv war. Mit Beginn des Jahres aber „sind wir wieder daheim“ (Hügerich), der Stadtrat also zurück im Sitzungssaal des Rathauses II. Dennoch möchte Bogdahn die hybride Lösung beibehalten. „Für die arbeitende Bevölkerung ist das eine sehr gute Möglichkeit, daran teilzunehmen, den Wortlaut mitzuhören“, argumentierte er. „Und das ist ein Stück weit auch Transparenz.“

„Wer etwas durchstechen will, der tut das so oder so.“
Emmi Zeulner, Stadträtin (CSU)

Wohlgemerkt: Die Möglichkeit, via Zoom den Sitzungen beizuwohnen, hatten nur die gewählten Vertreter des Gremiums, nicht aber interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer. Frank Rubner (CSU) führte an, dass der Freistaat für die Zukunft sogar plane, dass virtuelle Abstimmungen bei Sitzungen möglich sein sollen.

Für Bürgermeister Hügerich ein Relikt aus Pandemie-Zeiten

Christian Barth (Junge Bürger) erinnerte an einen Antrag seiner Fraktion, dass auch die breite Öffentlichkeit online an Sitzungen teilnehmen können solle. Die Übertragung für die Stadträtinnen und Stadträte habe sich darüber hinaus bewährt, sprang er Bogdahn zur Seite. Gleiches tat Dr. Christopher Bogdahn (Freie Wähler), der ebenfalls forderte, die Meetings weiterhin online für alle Stadträtinnen und -räte zu übertragen, die eben nicht persönlich anwesend sein können.

Anfangs versuchte Andreas Hügerich zu argumentieren, dass es nur eine Zwischenlösung während der Pandemie gewesen sei. Er sprach von der „Krücke Zoom“, also einem Hilfsmittel. Dann aber sagte er, dass „Dinge aus nichtöffentlicher Sitzung unmittelbar in die Öffentlichkeit gelangt sind“. Ein schwerer Vorwurf: Hatten Stadträtinnen und Stadträte mithören lassen, wissentlich oder unwissentlich, weil beispielsweise die Lautsprecher an Smartphone, Notebook oder Tablet aktiviert waren? „Jeder hat hat selbst die Geheimhaltung sicherzustellen“, konterte Philip Bogdahn. Die Stadt verschicke an die Räte ja auch Briefe mit sensiblen Inhalten. Die Empfänger hatten da auch sicherzustellen, dass niemand sonst an diese Informationen gelange. „Ich bitte, diese Lösung via Zoom vorerst beizubehalten.“

War es gar eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter der Verwaltung?

„Alles Spekulation“, fand Emmi Zeulner (CSU) und spielte den Ball an den Bürgermeister zurück. „Wer etwas durchstechen will, der tut das so oder so. Vielleicht war es ja auch jemand aus der Verwaltung? Wir Stadträte haben uns alle zur Geheimhaltung verpflichtet.“ Es sei einfach eine gute Möglichkeit für stark beruflich eingebundene und damit nicht selten verhinderte Gremiumsmitglieder.

„Ja, müssen wir denn jetzt diesbezüglich einen Antrag stellen? Jetzt beginnen ja die Haushaltsverhandlungen!“, zeigte sich auch Robert Gack mehr und mehr ungehalten aufgrund der noch immer ablehnenden Haltung von Bürgermeister Andreas Hügerich. Der gab nach einigem hin und her nach. „Meinetwegen“, sagte er.

Damit war die Sache mit der hybriden Lösung für die Stadträtinnen und Stadträte geklärt. Die Sache mit dem „Leck“ in Sachen Geheimhaltung aber letztlich nicht.

Verschwiegenheitspflicht

Die Sorgfalts- und Verschwiegenheitspflicht ehrenamtlich tätiger Gemeinde- und Stadträte ist in Artikel 20 der Gemeindeordnung für den Freistaat festgeschrieben. Darin heißt es unter anderem: „Sie haben über die ihnen bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren.“ Das gelte nicht für Mitteilungen im amtlichen Verkehr und über Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. „Sie dürfen die Kenntnis der (...) geheimzuhaltenden Angelegenheiten nicht unbefugt verwerten.“ Diese Verpflichtungen besteht auch nach Beendigung des Ehrenamts fort. Außerdem: „Wer den Verpflichtungen (...) schuldhaft zuwiderhandelt, kann im Einzelfall mit Ordnungsgeld bis zu 250 Euro, bei unbefugter Offenbarung personenbezogener Daten bis zu 500 Euro, belegt werden.“

Auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kommunalen Verwaltung gibt es eine gesetzlich geregelte Verschwiegenheitspflicht: Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) haben Beamtinnen und Beamte über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahre. Diese Verpflichtung gilt nach § 37 Abs. 1 Satz 2 BeamtstG auch über den Bereich eines Dienstherrn hinaus sowie nach Beendigung des Beamtenverhältnisses.

Von Markus Drossel

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