Jüngst hatte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mitgeteilt, dass die Mittel für die 530 Mehrgenerationenhäuser (MGH) ab 2024 von 40.000 Euro pro Jahr um fünf Prozent gekürzt werden. Auch das Mehrgenerationenhaus in Michelau ist davon betroffen und das Rote Kreuz als Träger der Einrichtung bezeichnet dies als „eine Streichung mit fataler Signalwirkung“. BRK-Kreisgeschäftsführer Thomas Petrak hofft, dass „dies nicht der Auftakt zum Abbau der sozialen Infrastruktur ist.“
Frank Gerstner, der Leiter des BRK-Mehrgenerationenhauses in Michelau, weist indes auf die vielfältigen Leistungen hin: „Die Mehrgenerationenhäuser (MGH) halfen bei der Flüchtlingskrise 2015 mit, in der Corona Pandemie sowie bei der Integration der geflüchteten Menschen aus der Ukraine. Sie sind Orte gelebter Demokratie. Hier begegnen sich die Menschen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Alter und werden als Teil der Gesellschaft angenommen.“
Hilfe bei Armut und Einsamkeit
Das „Bundesprogramm Mehrgenerationenhaus Miteinander-Füreinander“ sei Teil des Fördersystems zur Schaffung von gleichwertigen Lebensverhältnissen. Auf dem Lande gehörten MGH zu wichtigen Anlaufstellen und bilden für die Menschen ein wichtiges Netzwerk. Sie wirkten gegen Armut und Einsamkeit. Mit mittlerweile über 53.000 Freiwilligen bundesweit seien sie zentrale Orte bürgerschaftlichen Engagements.
Der BRK-Kreisgeschäftsführer Thomas Petrak stellt die Frage, warum in Zeiten steigender Kosten die Fördermittel für soziale Einrichtungen, die der Bund selbst initiiert hatte, gekürzt werden. Auch für die Mehrgenerationenhäuser sind die Ausgaben durch Inflation, Energie- und Personalkosten um rund 16 Prozent gestiegen.
Ohne Förderung geht's nicht
Obwohl von Anfang an klar war, dass Mehrgenerationenhäuser nur mit öffentlichen Fördermitteln aufrechterhalten werden können, bedeute die Förderkürzung einen herben Rückschlag für die nachhaltige Sicherung der in der Bevölkerung beliebten Einrichtung, so das Rote Kreuz. Die Entscheidung des Bundes, bei einer der wichtigsten Infrastrukturen für gesellschaftlichen Zusammenhalt Fördermittel zu kürzen, schwäche diese zusätzlich.
„2000 Euro mögen auf den ersten Blick nicht viel erscheinen“, so Petrak. Vor dem Hintergrund einer ohnehin bestehenden Unterfinanzierung der Häuser bei zusätzlich übernommenen Aufgaben brächten sie die kleinen wie großen Träger der MGH unter Druck. Trotz der erfolgreichen Akquirierung von Drittmitteln und Spenden und des hohen Anteils freiwilliger Arbeit seien die Mehrgenerationenhäuser bereits am Limit. Frank Gerstner: „Die Folgekosten dieser Sparmaßnahme werden signifikant höher sein, gerade jetzt, wo an vielen Stellen deutlich wird, wie fragil unsere Gesellschaft momentan ist.“ Dieser kausale Zusammenhang ist seit Jahren bekannt – auch im BRK-Mehrgenerationenhaus Michelau: „Über das Budget, dass wir von Bund, Landkreis und der Gemeinde Michelau erhalten, lassen sich schon lange nicht mehr alle Angebote finanzieren. Vielmehr sieht es so aus, dass die 50.000 Euro, die bisher zusammenkamen, gerade einmal für die Personalkosten und einen Teil der Energiekosten reichen“, so Frank Gerstner.
Dienstleister für andere
„Schon lange sind wir daher bemüht, fremdfinanzierte Angebote ins Haus zu holen oder Dienstleister für andere Projekte im Landkreis zu sein, um die Kosten besser auffangen zu können“, betont er. So stelle das MGH etwa die Ersatzbetreuung für die Tagesmütter des Landkreises oder beteilige sich an der offenen Jugendarbeit der Kommunen Altenkunstadt, Burgkunstadt, Weismain, Redwitz und Michelau. Auch die Koordinierungsstellen für Pflegende Angehörige und das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ haben im MGH ihren Sitz.
Doch die Ausweitung von Leistungsangeboten funktioniere nur, solange die Grundfinanzierung gesichert ist. „Während der Landkreis Lichtenfels und die Gemeinde Michelau ihre Förderzusage bis zum Jahr 2028 in voller Höhe einhalten, reduziert der Bund seine Förderzusage.“ Im schlimmsten Fall wäre von der Kürzung nicht nur die Einrichtung in Michelau betroffen, sondern alle Angebote, die rund um das MGH im Landkreis aufgebaut wurden. „Ich kann mir vorstellen, dass wir im Falle einer Kürzung der Grundfinanzierung in gleicher Weise auch unsere Angebotspalette kürzen müssen“, so Frank Gerstner .
Ein Brandbrief des Bundesnetzwerkes und der Landesnetzwerke der Mehrgenerationenhäuser mit der Bitte um Rücknahme der Kürzung ging an alle Bundestags- und Landtagsabgeordneten. Ausgang offen. (red)