Nachhaltig und regional produzieren und kaufen sind Strategien, die eine große Rolle spielen, wenn es darum geht, die Probleme unserer Zeit in den Griff zu bekommen. Natürlich macht es Sinn, auf Produkte zurückzugreifen, die in der näheren Umgebung ihren Ursprung haben, deren Produzenten bekannt sind und deren Herstellungsweise nachverfolgbar und kontrollierbar ist, die keine langen Wege zum Verbraucher haben und deren Qualität somit gesichert ist.
Allerdings wird es einem nicht immer leicht gemacht, an diese Dinge auch zu kommen. Der Einzelhandel, der für den Verkauf solcher Waren der ideale Partner ist, befindet sich auf dem Rückzug. Häufig deckt man seinen Bedarf über den Discounter oder den Online-Handel.
Noch vor 100 Jahren waren die Verhältnisse ganz andere, und erst recht vor 300 Jahren, als das Handwerk in Lichtenfels der wesentliche Erwerbszweig war. Damals waren die Handwerker in Zünften organisiert, die nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in gesellschaftlicher Hinsicht das Leben der Stadt prägten.
Die beste Gelegenheit, sich zu repräsentieren und die Bedeutung des eigenen Berufs zu zeigen, war die jährliche Fronleichnamsprozession, zu der alle Zünfte antraten, um dem Allerheiligsten zu folgen. Dabei zeigte die Aufstellung der Prozession die Wichtigkeit des jeweiligen Gewerbes. In Lichtenfels liefen an erster Stelle die Bäcker, gefolgt von den Müllern, den Weinbauern und den Leinenwebern. Ihnen folgten die Fleischhacker, die Schuhmacher und die Schreiner. Den Schluss bildeten die Fischer. Wenn man von den bischöflichen Beamten absieht, spiegelt sich in dieser Reihenfolge auch das soziale Ansehen und die Finanzkraft der Bürgerschaft.
Die Zunftordnung der Metzger von 1667
Erstaunlich ist dabei die Anzahl der einzelnen Berufsvertreter. Um 1800 gab es in Lichtenfels allein 19 Metzger! Einige Metzgerfamilien waren über die Jahrhunderte hinweg immer unter den reichsten Bürgern, und ebenso waren Vertreter dieser Zunft auch immer Mitglieder des Rats der Stadt. Innerhalb der Zunft war allerdings schon eine deutliche Differenzierung zu erkennen. Die Wohlhabendsten leisteten Abgaben von 25 Gulden, andere dagegen nur von zehn. Für alle aber galten die Regeln der Zunftordnung, wie sie 1667 niedergelegt worden war.
Als Grund für die Niederschrift wird zunächst erwähnt, dass es darum gehe, Fehler und Missbräuche zu verhindern sowie Klagen und Beschwerden der Bürger und Bauern zu minimieren. Im Folgendem geht die Ordnung auf nahezu alle Punkte ein, die für das Geschäftsleben und die übrigen Belange der Metzger der Stadt von Belang sind.
Lehrlinge, Meister und Konkurrenten
An erster Stelle geht es um die Lehrlinge, die ausgebildet werden. Voraussetzung für sie ist eine eheliche Geburt und die Herkunft aus einer ehrsamen Familie. Nach einer vierwöchigen Probezeit und einer Zahlung von zwei Gulden in die Zunftkasse beginnt dann die eigentliche Lehrzeit. Um die Zahl der Meister in Grenzen zu halten, durfte ein Metzger, der bereits einen Lehrjungen hatte, in den nächsten zwei Jahren, der Dauer der Lehrzeit, keinen neuen annehmen. Ein gerade erst fertig gewordener Meister sollte in seinem ersten Jahr auch keinen Lehrling ausbilden dürfen. Die Meisterprüfung bestand aus der genauen Schätzung des Lebendgewichts eines Tieres, aus dessen fachgerechter Schlachtung und Zerlegung sowie aus der gesundheitlichen Prüfung des Schlachtviehs.
Auch die Maßnahmen zur Aufnahme fremder Meister in die Zunft zeigt die Tendenz, die Meisterzahl überschaubar zu halten, sollte doch jedes Zunftmitglied genügend verdienen können. So waren die Hürden für Neuankömmlinge hoch.
Wanderschaft war bei der Metzgerzunft eher selten
Neben dem Erwerb des Bürgerrechts, musste er den Geburtsbrief und den Lehrbrief vorweisen sowie den Nachweis führen, dass er zwei Jahre auf der Wanderschaft gewesen sei. Die Wanderschaft war bei der Metzgerzunft eher selten, wurde aber in Lichtenfels für so wichtig gehalten, dass für ein fehlendes Jahr zehn Gulden zu entrichten waren. Dazu kamen noch zwölf Gulden „Aufnahmegebühr“, die sich Amtmann, Rat und Zunft teilten. Sehr viel leichter hatte es da ein Bürgersohn, der nur acht Gulden und eine „ordentliche Mahlzeit“ für die Aufnahme in die Zunft aufbringen musste. War der Bürgersohn auch noch der Sohn eines Meisters, dann war er schon mit der Finanzierung von zwei Vierteln Wein dabei.
Obwohl Juden nicht für die Zünfte zugelassen wurden, wird ihnen in der Ordnung der Metzger ein Abschnitt gewidmet, wohl weil sie als unliebsame Konkurrenz empfunden wurden. So klagten die Metzger der Stadt, die Juden würden so viel schächten, dass sie häufig Fleisch auch an die christliche Bürgerschaft verkaufen würden. Um dies zu unterbinden, erging an sie der bischöfliche Befehl, im Laufe eines Jahres nur noch zwei Stück Vieh für den Verkauf schächten zu dürfen.
Gesellschaftliches Leben in der Zunft
Die gesellschaftliche Aufgabe der Zunft zeigt sich zum Beispiel in der Verpflichtung ihrer Mitglieder, beim Tod eines der Ihren oder eines Familienmitglieds beim Begräbnis anwesend zu sein und außerdem ein halbes Pfund Wachs für die Kerzen beizusteuern. Die Aufgaben der Zunft gingen aber auch in diesem Bereich noch sehr viel weiter. Neben dem Gedenken an die Verstorbenen widmete sie sich auch den Hinterbliebenen, für Witwen und Waisen wurde zumindest eine Zeit lang aus der Zunftkasse eine finanzielle Hilfe geleistet.
Auch bei drängenden städtischen Belangen wie der Frage nach der Brandbekämpfung und der Verteidigung der Mauern hatten die Zünfte ihr Scherflein beizutragen. Um diese Aufgaben koordinieren und leisten zu können, bedurfte es einer klaren Struktur und Hierarchie.
Geleitet wurde die Zunft von zwei gewählten Meistern. Sie waren unter anderem dafür zuständig, am jährlichen Treffen am Aschermittwoch von den Mitgliedern je 30 Pfennige einzusammeln. Sollte es zu anderen Zeiten des Jahres Gesprächsbedarf geben, dann musste der jüngste Meister die Runde machen und die Mitglieder zusammenrufen. Betont wird, dass bei den Zusammenkünften ein „züchtig wesen“ an den Tag gelegt werden soll, „Lästerworte“ oder gar Lügen und Schläge sollten gemieden werden. Da solche Raufereien aber durchaus schon öfter vorgekommen seien, werde, wer sich nicht im Griff hat, mit der Finanzierung von einem Pfund Wachs als Strafe belegt.
Das Recht, jeden Freitag „ein Rind zu stechen“
Festgelegt waren auch die Bedingungen für die eigentliche Arbeit. Jeder Meister hatte das Recht jeden Freitag „ein Rind zu stechen“, es am darauf folgenden Samstag „aufzuhauen“ und dann zu verkaufen. Wenn aber die Geschäfte besser gehen sollten, dann wurden auch häufigere Schlachtungen erlaubt.
Geschlachtet wurde meist außerhalb der Stadtmauern, wahrscheinlich an den Mühlbächen, um die Schlachtabfälle gleich entsorgen zu können. Auch die Versorgung von Kirchweihen, Hochzeiten und anderen Festlichkeiten war alleinige Sache der zünftigen Metzger. Ebenso galt dies für die Schlachtung des Großviehs der privaten Haushalte.
Diese Monopolstellung der Metzger war eine Entwicklung des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, die sich mit dem steigenden Fleischbedarf der wachsenden Städte seit dem 13. Jahrhundert heraus gebildet hatte. Zuvor hatten die Tierbesitzer selbst auch deren Schlachtung und Verarbeitung geregelt.
Der Verkauf von Fleisch fand am Rathaus statt
Der Verkauf fand nach dem Bau des neuen Rathauses an den 20 Bänken statt, die sich am Rathaus befanden, in den Achsen der heutigen Fenster. Auch das vorherige Rathaus war in ähnlicher Weise genutzt worden. Nachdem es aber baufällig geworden war, gaben die Metzger ihre Verkaufsstände hier schon 1734 auf mit dem Hinweis, dass die Bänke so kaputt seien, dass darin guten Gewissens kein Fleisch mehr verkauft werden könne.
Wer welche Bank benutzen durfte, wurde durch das Los zweimal im Jahr neu geregelt. Es scheint sich aber dann die Vergabe der Bänke als Erbzinslehen wie ein Haus oder ähnliches durchgesetzt zu haben. Ähnlich wertvoll waren die Bänke auch. Sie wurden mit Summen von bis zu 700 Gulden gehandelt, wofür auch schon ein kleines Haus zu haben war.

Allerdings gab es auch hier Unterschiede. Gefragt waren vor allem die Bänke, die ihre Verkaufsfläche zum Markt hin hatten, die Bänke zur Farbgasse hin waren dagegen weniger gesucht. An den Bänken war auch der Ort für die Qualitätskontrolle, die zwei sogenannte „Fleischsetzer“ vornahmen. Es durfte kein Fleisch verkauft werden, das von Tieren stammte, die gelahmt hatten oder die vom „wolff oder wüttend hund gebissen“ worden waren.
Geachtet wurde auch darauf, dass für altes und frisches Fleisch eine Preisbindung zu gelten habe und hier nicht Beliebiges verlangt werden konnte. Verboten war auch der Handel mit Fleisch vom „reudisch schaf“ oder „unverschnitten schwein“.
Neben den Metzgern hatten auch die Bäcker für ihren Verkauf Bänke am Rathaus. Damit waren die Gewerbe, die der Grundversorgung der Bevölkerung dienten, an einem Ort zentralisiert und also gut zu überwachen und zu kontrollieren.
Entwicklungen des 19. Jahrhunderts
Auch als im 19. Jahrhundert die Zunftschranken fielen, blieb die Zahl der Metzger zunächst relativ konstant. 1820 gab es 17 selbstständige Meister in der Stadt. Man kann allerdings beobachten, dass innerhalb des Gewerbes eine gewisse Ausdifferenzierung und Spezialisierung stattfand. So finden sich neben den üblichen Metzgern zeitweise auch zwei Küter, also Leute, die sich darauf spezialisiert hatten, die Innereien des Schlachtviehs zu verwerten.
Und mit steigendem Wohlstand, nach dem Anschluss an die Eisenbahn, meldete 1862 ein Peter Braun sogar das Gewerbe des Charkutiers an. Charkutiers handeln lediglich mit gehackten, geräucherten oder anderweitig verfeinerten Fleischwaren. Generell ist auch zu beobachten, dass sehr oft Metzger und Gastwirt in einer Person zusammenfinden, was natürlich die Gewinnspanne durchaus erhöhte.
Mit der Einführung der Handwerkskammer um 1900 und des Lichtenfelser Gewerbevereins 1902 waren wieder zentrale Organisationen für das lokale Gewerbe geschaffen. Bis heute ist das Handwerk vor Ort ein Garant für Qualität und Vielfalt, zwei Aspekte, die man als Verbraucher zu schätzen wissen sollte.
Von Karl-Heiz Hößel