aktualisiert:

Meinung: Ultra-Marathon ums Altenheim

Steffen Huber. Foto: K. Huber

Wir haben die Verpflichtung, das Lichtenfelser Modell im Sinne der Menschen, die es aus der Taufe gehoben haben, fortzuführen.“ Das sagte Andreas Hügerich nicht nach seiner Wahl zum Ersten Bürgermeister von Lichtenfels im Jahr 2014, sondern in der Stadtratssitzung am Montag. Fast auf den Tag genau zehn Jahre, nachdem die letzten Bewohner des damaligen Altenheims in der Nordgauerstraße 2 aus- und in das neue BRK-Altenheim „Am Weidengarten“ eingezogen sind.

Das Rennen um das Lichtenfelser Modell wurde bereits 2009 gestartet. Damals hatten sich Stadt, Landkreis und das Bayerische Rote Kreuz darauf geeinigt, Senioren ein altengerechtes Wohnen zu ermöglichen. Diese Aufgabe konnte die Maiacher Stiftung aus finanziellen Gründen nicht mehr schultern. Nach dem Auszug der Senioren im November 2012 schien ein Zwischenziel erreicht, doch der damaligen Stadtführung ging die Puste aus.

Nach der Wahl eines neuen Rathauschefs schien das Rennen neuen Rückenwind zu erhalten. Denn im November 2014 stellte BRK-Kreisgeschäftsführer Thomas Petrak dem ebenfalls neuen Stadtrat das Projekt erneut vor. Etwa 50 barrierefreie und seniorengerechte Wohnungen sollten in der Nordgauerstraße 2 entstehen. Der Stadtrat beschloss damals außerdem, dass der Umbau entweder von der Stadt oder einem privaten Investor vorgenommen werden soll. Ein solcher sprang fünf Jahre später auf der Ziellinie ab, und das Rennen zum Lichtenfelser Modell hatte sich zum Marathon entwickelt.

Nachdem der damalige Stadtrat die Kämmerei beauftragt hatte, die Vermögenswerte der Stiftung zu ermitteln – diese Kenntnis war in den Jahren zuvor verloren gegangen –, ist der Rathausführung schließlich nach zwei Jahren klar geworden, dass ihr nichts anderes übrig bleibt, als das ehemalige Altenheim zu übernehmen. Und dann war der Stadtrat gefragt. Und der entwickelte durchaus Ideen, was mit dem zehn Jahre mit Unterbrechungen leer stehenden Gebäude geschehen soll. Dies zeigen die Antworten, die die Fraktionen dieser Redaktion gegeben haben. Doch der Rathauschef, der schon vor drei Jahren eingeräumt hatte, dass der Stadt Geld und Knowhow für eine Umsetzung des Lichtenfelser Modells fehlen, und die Fraktionen machen aus dem Marathon mit der Machbarkeitsstudie einen Ultramarathon.

Einen, bei dem es nur Verlierer gibt: Denn es gibt genug bedürftige Senioren, die sich über ein barrierefreies und günstiges Wohnen in der Nordgauerstraße 2 freuen würden – gerade in Zeiten, in denen die Inflation Monat für Monat neue Höchststände erreicht.

Von Steffen Huber steffen.huber@obermain.de

Weitere Artikel