Irgendwann sollte Cellist Karlheinz Busch mal einen Preis für Sprachkultur erhalten. Nicht nur, dass der Mann es schafft, durch Benennung liebenswerter Details Begeisterung an klassischer Musik zu wecken, nein, es gelingt ihm sogar, sich liebenswert gekonnt zu verhaspeln. Das Lions-Benefizkonzert im Stadtschloss war reich an Höhepunkten auf unterschiedlichen Gebieten.
Zwei Jahre ist es her, dass es durch Corona bedingt letztmalig stattfand: das Benefizkonzert mit dem Bamberger Streichquartett. Am Sonntag war es wieder soweit und gut 120 Besucher strömten zu. Was sie hören wollten, las sich auf dem Programmblatt so: Klänge für die Seele – Musik zum Träumen. Und jetzt kommt's: Nicht nur vor dem Barock sollte sich das Quartett verbeugen, sondern auch vor der Klassik, dem Jazz und einer Filmmusik. Doch bevor es dazu kam, kam es zu ernsten Worten.
Walter Mackert, Vorsitzender des Vereins der Freunde und Förderer des Lions-Club Lichtenfels, sollte bejahend auftreten. „Wir, Sie, ich, können an der großen Situation nichts ändern“, so der Mann mit allerlei Hinweisen darauf, wo man als Lions-Club in kleineren Rahmen sehr wohl helfen konnte. Aber dann zogen sie ein: Erster Geiger Milos Petrovic, Violinist Andreas Lucke, Bratschist Branko Kabadaic und eben auch Karlheinz Busch; ein erstklassiger Cellist und eine hochbegabte Plaudertasche, jemand, zu dem man glauben möchte, er habe das Infotainment erfunden.
Und plötzlich sind die Farben neu
Ein Beispiel: Über den Nürnberger Johann Pachelbel wusste er von der Freundschaft in die Bach-Familie hinein zu berichten und davon zu erzählen, wie und dass er erst in Erfurt gut arbeiten und leben konnte. Aber dann kam die Sprache auf den Kanon in D und dessen „unglaubliche Farbigkeit“. Die Komplexität des Werkes beschrieb Busch „wie wenn man in ein Kaleidoskop reinschaut und dreht, und plötzlich sind die Farben neu“. Den farbigen Worten hatte eine farbige Ausführung zu folgen und das Streichquartett sollte beeindrucken.

So wie später bei Darbietung von „Ombra mai fu“ aus Händels Oper Xerxes. Aus der Arie formten sie das Largo in Feinfühligkeit und erstaunlicher Akzentuierung. Womit man bei einem neuerlichen Thema wäre: Pierre Martens, Fagottist und Professor an der Musikhochschule in Lübeck. Auch ihn sollte es zeitweilig auf die Bühne des Stadtschlosses verschlagen, aus dem Quartett ein Quintett machend.
Nein, der Vivaldi ist's
Der weltweit am meisten gespielte Komponist? Man möchte auf Mozart tippen oder ist versucht, Beethoven in Betracht zu ziehen. Doch Busch lächelte bei der von ihm aufgeworfenen Frage, hob den Zeigefinger, schaute freundlich und nannte den Namen: Vivaldi. Das wiederum rief eben jenen Martens für die vier Sätze des Konzerts für Fagott und Streicher in a-Moll auf den Plan. Dann machte es Freude zu sehen, wie ein Fagottist Platz und Raum auf der Bühne braucht, denn im Grunde gebärdet er sich durchaus wie ein Rockmusiker; er wiegt sein Instrument, geht in die Knie, schlängelt sich mit ihm, setzt es in Szene. Martens Klasse war allerhöchst.
So werden Noten lebendig
Erstaunlich, wie er hohe Töne zu modulieren verstand, wie er Stimmungslagen einzufärben vermochte und gleiche Tonfolgen graduell präzise in Lautstärkesteigerung vornahm. So werden Noten lebendig. Doch ein, zwei andere Vorfälle könnten den Abend außerdem im Gedächtnis belassen. Die Bemerkung von Busch, wonach seine jungen Mitstreiter wie Milos Petrovic auch im Jazz beschlagen seien und er als „Methusalem“ jetzt merke, dass seine jahrzehntelange Nichthinwendung in diese Richtung durchaus „ein Verlust“ war. Wie zum Beweis ließ das Quartett Leroy Andersons Forgotten Dreams zartfühlend erstrahlen. Ein unbestrittener Höhepunkt des Abends, der den ganzen Saal freudig lachen machte, bestand in Buschs Ankündigung von Mancinis Filmmusik zu Frühstück bei Tiffany mit Audrey Hepburn. Zwar wies seine Inhaltsangabe des Films nur gelegentlich Übereinstimmung mit der Story auf, aber in einem lag Busch absolut richtig: „Da gibt es diesen Kuss, diesen allumfassenden Kuss – im Regen! Also das wünsche ich mir auch!“

Es war ein schöner Abend zwischen Beethoven und Haydn, Vivaldi, Mozart, Bach und Ausflügen ins 20. Jahrhundert. Und er fand statt unter den Augen dieser Komponisten. Dafür sorgte der Maler Rainer Pianski, der deren Gemälde anfertigte und sie vom hinteren Drittel des Saals in Richtung Bühne blicken ließ.
Von Markus Häggberg