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LICHTENFELS

Bündnis Lichtenfels ist bunt fordert mehr Zivilcourage

Bei der Hände-Aktion von „Lichtenfels ist bunt“ wurden etliche Fenster in Lichtenfels und im Landkreis geschmückt. Foto: Fotocollage: Markus Drossel

Klare Kante zeigen und nicht einfach unkommentiert hinnehmen. Das würden sich die Mitglieder des Aktionsbündnisses „Lichtenfels ist bunt“ von den Bürgern, vor allem aber von den Speerspitzen der Lokalpolitik wünschen. Allzu lang sei den „Spaziergängern“, Faktenverdrehern und Hetzern das Feld überlassen worden. Nun müsse man endlich zeigen, wer die Mehrheit ist – und wie diese denkt.

Tiefe Enttäuschung war beim jüngsten Treffen des Aktionsbündnisses, das pandemiebedingt virtuell stattfand, spürbar. Warum nehmen der Landrat, die Bürgermeister im Landkreis und zahlreiche Kreis-, Stadt- und Gemeinderäte es so gleichgültig hin, dass Leugner und Lügner jeden Montag die Marktplätze zu ihrer Bühne machen und teils mehrere hundert Leute ihren Aufrufen folgen? Warum werden diese „zufälligen“ Treffen nicht als genau das gewertet, was sie sind, nämlich unangemeldete und damit ungenehmigte Massenansammlungen von Leuten mit Plakaten längst nicht nur aus dem Landkreis? Warum kontrolliert die Polizei bei diesen „Spaziergängern“ nicht viel konsequenter die Verstöße gegen die Pandemie-Beschränkungen? Warum lassen sich die Behörden an der Nase herumführen und für dumm verkaufen, wenn es um Demonstrationsaufrufe und Strippenzieher geht? – Die Fragen, die sich den Bündnismitgliedern stellten, waren vielfältig.

„Es ist die falsche Zeit für Rücksichtnahme auf Leute, die vielleicht normalerweise nicht rechts denken, dennoch aber mit den Rechten mitlaufen.“
Dr. Arnt-Uwe Schille, „Lichtenfels ist bunt“
Beim jüngsten virtuellen Treffen von „Lichtenfels ist bunt“. Foto: Markus Drossel

Die Lösung für das „bunte Lichtenfels“ aber scheint klar: „Es ist längst Zeit für deutliche Statements, für klare Abgrenzungen“, fordert nicht nur Carsten Gick. „Wie kann es sein, dass teilweise mehrere hundert Menschen auf dem Marktplatz demonstrieren und die Polizei davon überrascht wird, weil sie vom Landratsamt keinen Hinweis auf dieses Treffen bekommen hat? Die Polizei muss viel konsequenter auftreten!“ Gick hat mittlerweile einen Beschwerdebrief an den Landrat Christian Meißner und Bürgermeister Andreas Hügerich verschickt. Seine energische Bitte: sich endlich den Querdenkern entgegenstellen. Gick: „Ich vermisse bislang ein deutliches Statement!“

Was würde eine Allgemeinverfügung wie in Breitengüßbach bewirken?

Kontrovers diskutiert wurde, ob eine Allgemeinverfügung helfen könnte, wie sie beispielsweise Breitengüßbach erlassen hat. Darin könne zwar genau geregelt werden, welche Abstände einzuhalten seien, was wiederum eine Handhabe für Bußgelder darstelle. Letztlich aber legitimiere eine Allgemeinverfügung diese „Spaziergänge“. „Plant unser Landkreis überhaupt etwas in diese Richtung?“ – Achselzucken bei den Bündnisteilnehmern. Bislang wohl eher nicht. „Nur das Landratsamt kann eine Allgemeinverfügung erlassen,“ erklärte Arnt-Uwe Schille. „Die Initiative dazu können auch andere ergreifen.“  Beispielsweise Bürgermeister, Kreis- oder Stad- und Gemeinderäte.

Definitiv vorbildhaft sei, wie Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke und Landrat Johann Kalb sich positioniert haben. Ihr Appell: Trotz aller Unzufriedenheit und so manchem Fehler in der Pandemie niemals Seite an Seite mit Rechtsaußen marschieren. Auch Eberns Bürgermeister habe Rückgrat bewiesen und sich deutlich geäußert. „Es ist an der Zeit, dass Politiker, quer durch alle Fraktionen, mit einer Stimme sprechen“, so die Meinung im Bündnis.

Carsten Gick ergänzte: „Wir brauchen Lokalpolitiker, die Farbe bekennen, wenn der Wind etwas rauer weht.“ Mittlerweile sei Lichtenfels ein Hotspot für Querdenker-Treffen. Eben, weil nichts unternommen werde. „Es ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Normaldenkenden, wie unverfroren man im Landkreis Lichtenfels solche Querdenker-Veranstaltungen abhalten kann. Es ist längst überfällig, dass die Zivilgesellschaft aufwacht und sich entgegenstellt.“

Vorbildlich: Der Bamberger Landrat hat reagiert und sich positioniert

Der gebürtige Lichtenfelser Stefan Denzler, Geschäftsführer des Projektes „Demokratie leben in der Mitte Europas“, berichtete, dass in Helmbrechts im Landkreis Hof eine Kerzenaktion initiiert wurde, um den Querdenkern etwas entgegenzusetzen: Für jeden Corona-Toten brannte ein Licht. Die Bunte-Hände-Aktion kurz vor Weihnachten beziehungsweise rund um den Jahreswechsel sei eine gute Sache gewesen, da waren sich die Bündnismitglieder einig. Aber: Längst nicht jedes Geschäft der Innenstadt machte mit, auch in der Geschäftsstelle so mancher Volkspartei hingen leider keine Handabdrücke. Aus Angst? Aus Bequemlichkeit? „Es fehlten uns Zugpferde“, brachte es Joanna Blößl auf den Punkt. „Wo sind denn die Leute, die aus der Mitte heraus öffentlich ihre Meinung äußern und sich gegen die Querdenker stellen?“

Gemeinsam ein Zeichen setzen und zeigen, wer die Mehrheit ist

In Schulterschluss mit Schweinfurt wird das Aktionsbündnis „Lichtenfels ist bunt“ einen Aufruf für Solidarität erarbeiten: eine Online-Petition, um gegen die „Corona-Spaziergänge“ ein Zeichen zu setzen. „Wichtig ist, dass dann auch bekannte Gesichter unterschreiben“, so die einhellige Meinung, „aus Politik, Vereinsleben und Wirtschaft gleichermaßen. Da wir keine Demonstration aufgrund der Pandemie initiieren wollen, sollten wir gemeinsam dieses Zeichen setzen, denn wir sind viele und wir sind die Mehrheit.“

Da im Aktionsbündnis Vertreter verschiedenster Parteien, Institutionen und Konfessionen sind, hofft das „bunte Lichtenfels“ auf große Resonanz. Joanna Blößl appellierte an die Bürgerinnen und Bürger: „Lasst euch nicht instrumentalisieren von Leuten, die eindeutig aus der rechten Ecke kommen. Man muss nicht mit jeder Corona-Maßnahme einverstanden sein, doch sich gemeinsam mit Extremisten auf dem Marktplatz treffen, geht gar nicht! Bitte werdet sensibler!“

Schließen sich ganze Stadt- oder Gemeinderäte der Online-Petition an?

An die heimische Politik gerichtet formulierte Dr. Arnt-Uwe Schille: „Es ist eindeutig die falsche Zeit, den Kopf in den Sand zu stecken. Es ist Zeit, Leute, die vielleicht normalerweise nicht rechts denken, dennoch aber mit den Rechten mitlaufen, aufzuklären und die falsche Wirkung ihres Tuns zu verdeutlichen.“ Genannte Online-Petition ist bereits in Arbeit.

„Vielleicht unterschreiben ja dann der ganze Kreistag und ganze Stadt- und Gemeinderäte medienwirksam bei einer ihrer nächsten Sitzungen?“, dachte ein Bündnismitglied laut nach. „Das wäre doch ein tolles Zeichen, über das bitte auch das Obermain-Tagblatt entsprechend berichten sollte.“ Der Heimatzeitung und ihren Redakteuren sei man dankbar, dass diese immer wieder das tun, was man von anderen fordere: klare Kante zeigen.

 

Von Markus Drossel

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