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Leserforum: Wenig zielführende Debatten über Windkraft

Ein Abonnent schreibt einen Leserbrief an das Obermain-Tagblatt.
Ein Abonnent schreibt einen Leserbrief an das Obermain-Tagblatt. Foto: Andrea Warnecke (dpa-mag)

Sehr geehrte Damen und Herren des Lichtenfelser Stadtrates,

einigermaßen ernüchtert habe ich nun zum wiederholten Male die wenig zielführenden Debatten um das Thema Windkraft beziehungsweise Ausweisung von Vorranggebieten im OT gelesen.

Bitte schauen Sie dringend über den Tellerrand hinaus, bevor Sie/einzelne von Ihnen immer wieder unsachliche Argumente gegen Windenergie speziell und/oder gegen Erneuerbare allgemein ins Feld führen.

Fakten:

1. Stillstand Windstromanlagen Wattendorf an 80 Prozent eine Kalenderjahres? Das sind zirka 292 Tage! Hat das Stadtratsmitglied 292 Beobachtungstage (24 Stunden) vor Ort verbracht oder woher stammt diese faktisch komplett falsche Aussage ? Haben Sie mal beim Betreiber des Windparks nachgefragt?

2. Windräder im Wald und Abforstung? Auch hier scheint es mir an konkreter Sachinformation zu fehlen. Richtig ist, dass man Zuwegungen für Transport und spätere Wartung benötigt. Es gibt hier umfangreiche Auflagen, was erlaubt ist, und es gibt Renaturierungsauflagen. Es gibt keine Abforstung im großen Stil, wie hier unterstellt wird.

3. Infraschall. Das wurde ja im Kommentar gleich wieder eingeholt, wird aber offenbar noch immer gerne angeführt. Erstaunlich.

4. Windhöffigkeit im Süden nicht ausreichend. Es gibt seit Jahren Windkraftanlagen, die bereits bei sehr geringen Windgeschwindigkeiten Wind ernten und wirtschaftlich betrieben werden können.

5. Kostenseite: Große PV-Freiflächenanlagen und onshore-Windanlagen produzieren schon heute Strom mit 4-7ct/kWh zu den günstigsten Preisen aller Energieerzeugungsarten. AKW-Verlängerung oder Neubau liegt hier zwar tiefer, aber ...

6. AKW: Es sind hier weder die Kosten für Nichtversicherbarkeit noch für die nach wie vor ungelöste Endlagerung eingepreist. Neubau eines AKW dauert mindestens fünf bis zehn Jahre. Eine Lösung?

7. Neue Abhängigkeiten: Mit AKW schaffen wir neue Abhängigkeiten von Russland beziehungsweise Rosatom. Denn 40 Prozent der Kernbrennstäbe kommen direkt aus Russland oder aus Kasachstan, und weltweit ist Rosatom an vielen weiteren Uranproduzenten beteiligt. Wollen wir wirklich einen neuen Preis der Abhängigkeit bezahlen und unsere Erpressbarkeit fortführen?

7. Nochmals Kosten: Insbesondere Gas zählt zu den teuersten Energieträgern. Sagt Ihnen der sogenannte Merit-Order-Effekt etwas, der günstigere Preise am Strommarkt verhindert? Warum nicht mal informieren?

8. Blick über den Tellerrand: Vorbildregion Wilpoldsried: Der EE-Mix aus Wind, Solar, Biogas und ein sparsamer Umgang mit Energie schafft mehrfach ausgezeichnete Unabhängigkeit. Gehen Sie auf die Internetseite und informieren Sie sich, was dort u. a. auch in den Schulen getan wurde und fragen Sie vor Ort nach. Viele Kommunen informieren sich auch direkt vor Ort.

9. Vorbildsregion Wunsiedel: Ist eigentlich im Stadtrat bekannt, dass ein Unternehmen aus Lichtenfels hier ein Gemeinschaftsprojekt mit Siemens und der Stadt Wunsiedel zum Thema Wasserstofftechnologie betreibt? Googlen Sie doch mal und gehen Sie auf unser Unternehmen zu. Übrigens haben wir im Landkreis Lichtenfels und in auch Franken tolle Unternehmen aus dem Bereich Erneuerbare. Warum wird nicht auf deren Know-How zugegriffen?

10. Klimawandel/Umwelt/Generationengerechtigkeit: Empfehlung: Schauen Sie sich auf youtube die WDR-Doku zur Flutkatastophe im Ahrtal 2021 an (44 min.) und staunen Sie nicht nur über die Hilfsbereitschaft von – gerade auch jungen – Menschen aus ganz Deutschland, aber auch über das fatale Ignorieren von klaren Warnsignalen in Nachbardörfern an und den schlimmsten Folgen für Menschen und Umwelt. Erinnert das nicht auch an unser beharrliches Ignorieren der Warnsignale des Klimaumbruches weltweit? Hören Sie sich die Aussagen von Sven Plöger (Deutscher Wetterdienst) an! Müssen wir wirklich noch überlegen, ob wir den Systemwechel im Strom-und Wärmesektior wollen?

11. Zweifel? Sie haben noch Zweifel? Lesen Sie den Bericht des Club-of-Rome von 1972 und den neuen aus dem Jahr 2022. Noch nicht genug ? Lesen Sie den Shell-Report aus dem Jahr 1986 und deren millionenschwere Vertuschung bezüglich der Folgen des ungebremsten Anstiegs von CO2 durch Verbrennung fossiler Energien.

Wolfgang Werthmann

Lichtenfels

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