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LICHTENFELS

Kandidaten im Gespräch: Sonderwirtschaftszonen als Anreiz

Leerstände im Ortskern, wie hier in Lichtenfels, wirken sich auf die Attraktivität der Kommunen aus. Wäre die Nutzung als Wohnraum eine Lösung? Foto: Markus Drossel

Was wollen Sie dafür tun, dass das Leben im ländlichen Raum, in Dörfern und Kleinstädten, attraktiver wird?

Jürgen Baumgärtner (CSU): Damit der ländliche Raum als Lebensraum noch attraktiver wird braucht es vor allem Arbeitsplätze, starke Unternehmen und Handwerksbetriebe, eine gute Verkehrsanbindung, lebendige Ortszentren, eine gute medizinische Versorgung und ortsnahe Bildungszentren – in den Landkreisen Lichtenfels und Kronach sind wir bereits auf einem guten Weg. Kronach und Lichtenfels sind mit dem LCC und dem FADZ zu Hochschulstädten geworden, die heimischen Unternehmen profitieren von einer engen Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft, an der B 173 wird gebaut, das Schienenverkehrsangebot ist erweitert worden.

Diesen Weg gilt es entschieden weiter zu beschreiten. Zudem bietet der Freistaat Bayern Förderungen, wie z.B. die Dorferneuerung und die Städtebauförderung, die wir noch passgenauer auf die Bedarfe der Dörfer und Städte im ländlichen Raum zugeschnitten haben. Ein weiterer wichtiger Baustein sind die Behördenverlagerungen. Für Kronach bedeutet dies zum Beispiel, dass eine Finanzfachhochschule mit rund 600 Studienplätzen entsteht. Außerdem werbe ich sehr dafür, ländliche Regionen mit großen Herausforderungen zu Sonderwirtschaftszonen zu erklären und sie auf diese Weise zu besonders attraktiven Standorten für Unternehmen zu machen.

Dr. Susann Freiburg (Grüne): Wir leben hier im ländlichen Raum und ich finde, wir leben hier in einem kleinen Paradies: Das Leben im ländlichen Raum ist attraktiv! Denken sie nur an unsere Dorffeste: Dort steppt der Bär! Es gibt geraden in den Dörfern oft einen ganz tollen Zusammenhalt und ein prima Gemeinschaftsleben! Insgesamt haben wir hier vergleichsweise niedrige Lebenshaltungskosten, viel Natur und kurze Wege. Das sage ich als Lichtenfelserin.

Auf den Dörfern und vor allem im Landkreis Kronach ist die Situation eine andere. Dort müssen wir für eine gute Gesundheitsversorgung kämpfen, dafür, dass Ärzte oder zumindest gut qualifizierte Gemeindeschwestern vor Ort sind; dafür, dass es mit der Notfallversorgung klappt. Wir müssen die Infrastruktur und den ÖPNV ausbauen. Und außerdem muss eine wohnortnahe Versorgung  – etwa über Dorfläden – mit Gütern des täglichen Gebrauchs gegeben sein.

Harald Meußgeier (AfD): Das A und O ist die Infrastruktur, gute Vernetzung von Verkehrswegen im ländlichen Raum über Kleinbusse oder Rufbusse, Einkaufsmöglichkeiten, Freizeitangebote und sozialer Wohnraum sowie altersgerechte Unterbringung. Die Begrünung von Innenstädten ist natürlich auch sehr wichtig.

Sabine Gross (SPD): Die Mobilität im ländlichen Raum muss gestärkt werden, das Hauptnetzwerk von Bahnen und Bussen im Taktverkehr muss durch flexible Angebote wie Rufbusse und Car-, Bike- und Ridesharing ergänzt werden. Auch im ländlichen Raum braucht es eine flächendeckende Versorgung mit Glasfaser und dem neuesten Mobilfunkstandard. Unbedingt notwendig sind attraktive Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche und ausreichend Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, um beiden Elternteilen die Berufstätigkeit zu ermöglichen. Der Ausbau von Coworking ist eine gute Möglichkeit, den ländlichen Raum zu stärken. Leerstände z.B. von Banken und Schulen können so einer neuen Nutzung zugeführt werden. Multifunktionale Nutzungskonzepte lassen so neue Räume entstehen.

Oliver Ramm (FDP): Schauen Sie sich die Dörfer vor 30 Jahren an – hier sollten wir wieder hinkommen.

Was schlagen Sie vor, um Wohnungsknappheit und steigende Mieten zu bekämpfen?

Baumgärtner: Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Daher gehört es zur staatlichen Daseinsvorsorge dafür zu sorgen, dass ausreichend bezahlbarer Wohnraum vorhanden ist. Dies erreichen wir mit einem 2-Säulen-Modell: Erstens gilt es gute Rahmenbedingungen und ein gutes Investitionsklima für den Wohnungsbau zu schaffen. Dies funktioniert nicht durch Auflagen und Restriktionen, sondern durch gezielte Anreize und Förderungen. Zweitens muss die öffentliche Hand den Wohnungsbau ergänzen und ein eigenes Kontingent an bezahlbaren Wohnungen vorhalten.

Freiburg: Wir brauchen dringend mehr sozialen Wohnungsbau. Auf der anderen Seite gibt es bei uns viele Baulücken, Leerstände und erwartbare Leerstände. Hier sind die Kommunen gehalten, eine gutes Leerstandsmanagement aufzusetzen. Auf Landesebene werde ich mich für eine Grundsteuer C einsetzen, um damit Grundstückseigentümer innerorts zum Verkauf ihrer oftmals voll erschlossenen Baulücken zu motivieren. Allein im Stadtgebiet von Lichtenfels gibt es aktuell 513 vollerschlossene und sofort bebaubare Grundstücke.

Meußgeier: Angebot und Nachfrage regulieren den Preis. Die Kommunen haben in den letzten Jahren den Wohnungsbau stark vernachlässigt. In der aktuellen Zeit wir es für die Kommunen immer schwieriger, die Inflation macht es fast unmöglich. Der genossenschaftliche Wohnungsbau, sollte wieder stärker in den Blickpunkt geraten. Der ungebremste Migrantenzustrom sorgt zudem für zusätzliche Nachfrage nach Wohnraum.

Gross: Die staatliche Förderung zur Herstellung von Sozialwohnungen muss erhöht werden, sowohl bei Neuherstellung als auch beim Umbau von Bestandssubstanzen. Es braucht mehr kommunale Wohnungsbaugesellschaften, die die Herstellung und Verwaltung von Sozialwohnungen übernehmen. Die Kommunen sind selbst am besten geeignet, bedarfsgerechten Wohnraum für ihre Bürgerinnen und Bürger herzustellen. Die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen muss die Ausnahme werden in Gebieten mit angespanntem Wohnraum. Die Gemeinnützigkeit muss wieder eingeführt werden. Wenn es die Möglichkeit zur Rekommunalisierung gibt, muss dieser Weg beschritten werden. Der Rückkauf könnte durch geförderte Kredite der Landesbank unterstützt werden.

Ramm: Den Raum in den Dörfern und Kleinstädten attraktiver machen.

Der Freistaat unterstützt die Kommunen mit Zuschüssen bei Infrastrukturprojekten, doch viele Kommunen können diese angesichts ihrer Verschuldung nicht nutzen: Wie würden Sie ihnen helfen?

Baumgärtner: In solchen Fällen muss man genau den Einzelfall betrachten. Ich war und bin immer gerne bereit dies zu tun und gemeinsam mit den Kommunen Lösungen zu finden.

Freiburg: Eine Umstrukturierung der Staatsfinanzierung ist dringend erforderlich, weil viele Kommunen chronisch unterfinanziert sind. Sie hängen am Tropf der Länder. Getreu dem Subsidiaritätsprinzip, wissen sie am besten, was ihnen fehlt, wo in welchem Ausmaß Investitionsbedarf besteht. Sie brauchen deshalb eine deutlich bessere Grundausstattung und sollten bei den Investitionen nicht von Fördermitteln abhängig sein. Gut wäre es, wenn der kommunale Anteil an der Umsatzsteuer deutlich erhöht werden würde. Dann könnten die Kommunen besser planen.

Was auf dem Jura oder im Frankenwald helfen würde, sind Wind- oder Solarenergieanlagen auf kommunalen Flächen in kommunaler Hand. Diese zusätzliche Einkommensmöglichkeit sollten sich die Kommunen nicht entgehen lassen.

Meußgeier: Man könnte hier neue Förderprogramme generieren, die genau dafür zugeschnitten sind.

Gross: Es muss den Kommunen ermöglicht werden, den verpflichtenden Eigenanteil zu finanzieren oder er muss finanzschwachen Kommunen ganz erlassen werden.

Ramm: Hier sollte man erstmal feststellen, warum es so ist.

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