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LICHTENFELS

Häggbergs Logbuch: Von Punkern und Träumen

Markus Häggberg Foto: Till Mayer

Markus Häggberg beschäftigt sich in seiner dreimal wöchentlich erscheinenden Kolumne augenzwinkernd mit Alltagssituationen. Sein Tagebuch, immer am Mann, quillt förmlich über von lustigen Begebenheiten. Diesem Mann entgeht nichts:

„Logbuch-Eintrag: Es ist ein sonniger Tag und unter meinem Fenster haben sich zwei Menschen auf einer Bank niedergelassen. Sie sind Punker und diese Einstellung tragen sie auf der Haut und im Gesicht. Weil sie das tun, halte ich diesen Moment fest und bemerke zu ihm: Es ist 14:36 Uhr (MEZ). Der Sommer liegt im Sterben und die beiden noch vergleichsweise jungen Menschen unter meinem Fenster glauben sich einem Traum zugehörig, aber ich vermute, dass sie nicht wissen, dass dieser Traum mit und ohne ihre eigene Jugendlichkeit verweht wurde. Er wurde vor bald 50 Jahren angeträumt, weil der Hippie-Traum platzte und weil jeder Traum früher oder später platzen muss.

Und wie ich mir das so ausmale, stelle ich an dem einen Menschen auf der Bank unter mir fest, dass er sich umso weniger wie ein Punker zu leben erlauben kann, je bedürftiger er mit zunehmendem Alter wird. Sollte er es aber doch schaffen, so hat er meine heimliche Bewunderung. Und meine bewundernde Ratlosigkeit. Es ist 14:43 Uhr und ich sehe die beiden Gestalten aufstehen und gehen. Was sie zurücklassen, sind zwei Dosen Bier und 50 Cent an Pfand.

In mir steigt der Song 'California Dreamin‘' von den Mamas and the Papas auf. Und das Wort 'ausgeträumt'. Der Sommer geht zur Neige und ich wünsche den beiden Gestalten warme Plätze für den Herbst und den Winter. Ich hätte gerne 1967 in Kalifornien verbracht und Jimi und Janis auf Woodstock gehört. Von was träumt die Jugend in Lichtenfels eigentlich heute so?“

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