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LICHTENFELS

Geteiltes Echo auf geteilte Abrechnung

Regentonne oder Zisterne: Wasser sparen in Haus und Garten
Sollte in Lichtenfels eine gesplittete Abwassersatzung eingeführt werden, wird auch der Regen, der von einem Grundstück ins Kanalnetz läuft, in Betracht gezogen. Zisternen oder Regentonnen könnten die fällige Gebühr mindern. Symbolfoto: Jens Schierenbeck/dpa Foto: Jens Schierenbeck (tmn)

Im Dezember sollte der Stadtrat die Erhöhung der Abwassergebühren beschließen. Die Grünen lehnten diese ab und kündigten Widerspruch gegen die neuen Abwasserbescheide an. Vielmehr brachten sie die sogenannte gesplittete Abwassersatzung als Alternative zur bisher gültigen Abwasserabrechnung nach dem Frischwassermaßstab aufs Parkett.

Zum Hintergrund: Während bei der bisherigen Abwasserabrechnung nur der Wasserverbrauch als Maßstab herangezogen wird, wird bei der gesplitteten auch noch die Niederschlagsmenge, die vom jeweiligen Grundstück in die Kanalisation läuft, einbezogen. Die Rechtsprechung in Bayern bevorzugt die gesplittete Abwassersatzung, weshalb es bei mehreren Widersprüchen gegen die bisherige Frischwassergebühr sehr gute Chancen gibt, dass auf die gesplittete Abrechnung umgestellt werden muss. Nach Kenntnissen dieser Redaktion wurde mehrmals Widerspruch gegen die Abwasserabrechnung bei der Stadt eingelegt.

Erster Bügermeister Andreas Hügerich kündigte jedenfalls im Dezember im Stadtrat an, diese Variante im Hauptausschuss – nichtöffentlich – vorstellen und diskutieren zu wollen, was zu Beginn des neuen Jahres der Stadtkämmerer im Gespräch mit dieser Redaktion bestätigte.

Seither ist ein halbes Jahr vergangen, und diese Redaktion wollte von den Stadtratsfraktionen und der AfD-Stadträtin Heike Kunzelmann wissen, welche Meinung sich diese zur gesplitteten Abwassersatzung gebildet haben. Es wurde ausdrücklich nicht gefragt, welche Diskussionen in nichtöffentlichen Sitzungen von Stadtrat oder Hauptausschuss zu dem Thema geführt worden sind. Antworten gab es von Freien Wählern, der Wählervereinigung Leuchsental-Jura, den Jungen Bürgern, der AfD-Stadträtin Heike Kunzelmann und den Grünen, die die ganze Sache ins Rollen gebracht hatten. Letztere äußerten sich jedoch bemerkenswerter Weise nur sehr zurückhaltend.

Von den Sprechern der beiden größten Fraktionen CSU und SPD, die jeweils mit acht Stadträten in der Bürgerinnen- und Bürgervertretung präsent sind, gab es trotz zweimaliger Nachfrage und der Bitte um eine Stellungnahme bis Redaktionsschluss keine Antwort, wie deren Meinung zu einer möglich Einführung einer gesplitteten Abwassersatzung ist.

Christopher Bogdahn (FW): Für Projekte, die Ökologie voranstellen

„Üblich ist die Erhebung einer einheitlichen Gebühr für Abwasser nach dem Frischwassermaßstab. Dies ist bislang in Lichtenfels der Fall.

Liegt der Kostenanteil der Niederschlagswasserbeseitigung an den gebührenfähigen Kosten der gesamten Entwässerungseinrichtung bei mehr als 12 Prozent, ergibt sich gemäß einer richterlichen Entscheidung aus dem Jahr 2003, dass eine gesplittete Abwassergebühr einzuführen ist. Hierbei wird die Abwassergebühr dann zum Beispiel anhand verschiedener Abflusswerte des Grundstücks bemessen. Da das Thema gesplittete Abwassergebühr aktuell noch im laufenden Verfahren ist, bitten wir um Nachsicht, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine abschließende Stellungnahme durch unsere Fraktion gegeben werden kann.

Grundsätzlich befürworten wir aber stets Projekte, die Ressourcenschonung, Entsiegelung und ökologische Gesichtspunkte in den Vordergrund stellen.“

Philipp Molendo (JB): Meinung in der Fraktion „gesplittet“

„Wie der Name gesplittete Abwassersatzung schon verlautet, so ist diesbezüglich auch die Meinung innerhalb der JB-Fraktion ,gesplittet‘. Unser Umweltreferent Christian Barth befürwortet diese, wohingegen Christian Bauer und ich dieser eher sehr skeptisch gegenüberstehen. Der Grundgedanke dahinter, ein ,objektiv faireres Schlüsselsystem‘ der Abwasserkosten zu implementieren, ist ja noch einleuchtend, dieses dann aber mit so einem immensem bürokratischen Aufwand dahinter einführen zu wollen, steht leider in keiner Relation zum gewünschten möglichen Benefit einzelner. Berücksichtigt man den ganzen Aufwand für die Bürger und in den Gemeinden, welcher zum Teil auch über externe Berater notwendig wird, um die neuen Schlüssel zu berechnen, kommt auf unsere Bürger in Summe wahrscheinlich eher mehr finanzielle Belastung zu, als wirklich dadurch entlastet wird.

Bezogen auf Lichtenfels konkret, haben wir auch die zusätzliche Herausforderung, dass wir viele Altbestands-Immobilien haben, ob im Handwerk, Landwirtschaft als auch privat, welche sich nur mit zum Teil großen Investitionen oder gar nicht auf den geforderten neuen Stand bringen lassen. Das Thema Entwässerung aus Umweltgesichtspunkten ist uns wichtig und muss unterstützt werden, das ,Instrument‘ einer gesplitteten Abwassersatzung sehen wir aber mehrheitlich als nicht zielführend.“

Trinkwasser
Bisher wird die Abwasserrechnung in Lichtenfels nach dem Frischwasser-Maßstab erstellt. Mit einer möglichen Einführung der gesplitteten Abwassersatzung flösse auch noch das Niederschlagswasser in die Berechnung der Gebühr. Symbolfoto: Roland Weihrauch/dpa Foto: A3512/_Roland Weihrauch (dpa)

Roland Lowig (WLJ): Enormer Mehraufwand in Verwaltung

„Da das Verfahren im Moment noch im Laufen ist und keine konkreten Einzelheiten bekannt sind, sehen wir uns zurzeit nicht in der Lage, die geforderte Stellungnahme zu beantworten.

Wir sehen allerdings, sollte die gesplittete Abwassersatzung zum Tragen kommen, einen enormen Mehraufwand in der Verwaltung, da ja alle Grundstücke im Stadtgebiet einzeln erfasst werden müssen, und auch jede bauliche Veränderung in Zukunft einfließen muss.

Den verwaltungstechnischen Mehraufwand müssen wir als Bürger tragen. So bleibt offen, ob der Kosten-Nutzen-Effekt der angestrebten gesplitteten Abwassersatzung wirklich sinnvoll ist.“

Heike Kunzelmann (AfD): Meine Stimme bekommt sie nicht

„Die drei wichtigsten Punkte stellen für mich dar: Daten und Schutz; Abrechnungskosten; Dörfer und Rentner. Für die Bemessung der Abwassergebühr muss in regelmäßigen Abständen die Überbauung überprüft werden. Dies wird mittels Satellitenbildern stattfinden. Das bei dieser Überprüfung gegebenenfalls auch systematisch die Möglichkeit besteht, Verstöße gegen Bauvorschriften oder Genehmigungen festzustellen, ist ein nicht auszuschließendes Nebenergebnis: ,Big brother watching you!‘

Aber es ist nicht der ,große Bruder‘, der die Einstufung der Grundstücke in die entsprechenden Kategorien vornimmt, sondern Verwaltungsmitarbeiter, die bezahlt werden müssen. Dementsprechend erhöhen sie die Kosten des Abwassers, und es entstehen in der Gänze höhere Abwassergebühren. Für die initiale Einführung der Abrechnung werden Experten benötigt. Die Kosten? Eine Million Euro? 100.000 Euro? Wahrscheinlich irgendwo dazwischen.

Nicht vergessen möchten wir die Bürger, die sich diesem Regime nicht beugen wollen und den Gang zum Gericht antreten. Auch hier – Arbeitszeit – Anwälte – Zusatzkosten für die Zahler des Abwassers. Aber nach der Musterrechnung sparen Familien, die in einem fünf Familienhaus wohnen 64 Euro im Jahr, der Rest zahlt meist mehr – deutlich mehr.

Und damit sind vor allem unsere Dörfer mit ihren landwirtschaftlichen Anwesen und großen Grundstücken gemeint, die sich zwangsweise an die Kanalisation anschließen und die Drei-Kammer-Gruben stilllegen mussten. Eine Musterrechnung spricht für ein 10.000-Quadratmeter-Grundstück von Abwasserkosten in Höhe von 1040 Euro im Jahr bei 120 Kubikmeter Abwasser. Nun stelle ich mir einen alten Bauern vor, der alleine auf seinem Hof ist, weil die Kinder in der Stadt arbeiten. Muss er ausziehen, weil er die Abwassergebühren, die neue Grundsteuer mit seiner Rente nicht mehr bezahlen kann? Das Haus als Altersvorsorge wird damit zur Falle im Alter. Es gäbe noch so viel zu erörtern, zum Beispiel Verfahren bei befestigten Grundstücken, zum Beispiel Parkflächen, Photovoltaikanlagen, Gartengrundstücke mit Gartenhütte und vieles mehr. Die ,2. Grundsteuer‘ mit Namen Abwassersatzung hat viele Nuancen und nein – meine Stimme bekommt sie nicht.

Dr. Susann Freiburg (Grüne): Unser Standpunkt ist bekannt

„Der Standpunkt unserer Fraktion ist schon seit Längerem bekannt. Wir verweisen diesbezüglich auf unser Programm zur Stadtratswahl 2020.“

 

Von Steffen Huber

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