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UNTERNEUSES

Bernd Hofmann: ein Kämpfer für die Nachhaltigkeit

„Der Baum trägt Früchte”: Dank der Agenda-21-Arbeitskreise konnte viel angeschoben werden. Einiges aber blieb auf der Strecke, bedauert Bernd Hofmann. Foto: Markus Drossel

Es ist wohlig warm in der guten Stube des Vierseithofs. Inmitten des holzvertäfelten Raums sitzt Bernd Hofmann am Tisch, blättert in zwei dicken Ordnern voller Protokolle, Zeitungsberichte, handschriftlicher Notizen. Es sind Erinnerungen aus den Jahren 1998 bis 2008. Erinnerungen an die engagierte, aufopferungsvolle Arbeit des Arbeitskreises „Landschaft, Land- und Forstwirtschaft“ des Landkreises Lichtenfels, dem er damals vorsaß und der sich Nachhaltigkeit, Umweltschutz und regenerative Energieversorgung auf die Fahne geschrieben hatte.

Heute sind die Initiativen, Vorstöße und Forderungen von damals aktueller denn je. Doch bewegt hat sich im vergangenen Vierteljahrhundert leider allzu wenig, findet Bernd Hofmann. „Ideen hatten wir viele“, sagt er, ohne den Blick aus dem Ordner zu erheben. Er stoppt, als ihm ein großes Bild in die Hände fällt. „Der Baum trägt Früchte“, liest er vor. Das Hochglanzfoto stammt aus dem Jahr 2002. Es zeigt, sorgsam in eine Klarsichtfolie gepackt, die Ergebnisse der Bemühungen des Agenda-21-Arbeitskreises. Die roten „Äpfel“ aus Tonpapier markieren die Meilensteine, die Erfolge, die grünen „Blätter“ die Projekte, die es aus Sicht der Aktivisten noch anzugehen galt. Heute, im Januar 2023, ist der 74-Jährige ernüchtert: Aus keinem grünen „Blatt“ ist mehr ein „Apfel“ geworden.

Wärme aus heimischen Wäldern statt Öl und Gas: Bernd Hofmann hat vorgesorgt. Foto: Markus Drossel

Was heute diskutiert wird, war schon damals auf der Agenda

„Was wir heute diskutieren, hatten wir schon damals auf der Agenda“, sagt Hofmann. Wirtschaftskrisen, explodierende Strom- und Energiepreise waren noch weit weg, ein Krieg inmitten Europas undenkbar. Der deutsche Wirtschaftsmotor lief wie geschmiert, ermöglichte vielen ein sorgloses Leben. „Das Heizöl ist so billig, wir fahren noch einmal in den Urlaub“ lautete ein Satz, den Bernd Hofmann damals im Obermain-Tagblatt las. Und doch sollten im Landkreis Initiativen entstehen, die sich mit Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein beschäftigen sollten. Die eine Agenda, also eine Marschroute, für das 21. Jahrhundert, entwickeln sollten. Längst nicht jeder nahm das ernst. Doch der Unterneuseser Landwirt Bernd Hofmann musste unbedingt federführend dabei sein.

Es war für Bernd Hofmann eine denkwürdige Sitzung im Oktober 1997, als der Kreistag unter Vorsitz von Reinhard Leutner beschloss, Agenda-21-Arbeitskreise ins Leben zu rufen. „Agenda kommt vom lateinischen agere, also von in Bewegung bringen“, erklärt Hofmann, damals Vorsitzender des Maschinenrings. Bewegen, anschieben, vorangehen: Das wollte er und schaffte es im Nu, ein Dutzend Leute für die Mitarbeit im Arbeitskreis „Landschaft, Land- und Forstwirtschaft“ zu begeistern, unter anderem den damalige Forstamtsleiter Dietmar Gross und Vertreter Land- und Forstwirtschaft. Und auch ein junger Lichtenfelser Landtagsabgeordneter war mit Feuereifer dabei.

Auf dem Dach seines Vierseithofs hat Bernd Hofmann sowohl Solarthermie- als auch Photovoltaik-Module. Foto: Markus Drossel

„Christian Meißner war sehr stark engagiert.“ Bernd Hofmann hält große Stücke auf die damalige Arbeit des den heutigen Landrats. Meißner engagierte sich stark, fehlte bei kaum einer der montagabendlichen Sitzungen, trug die Ideen voran und kämpfte für sie. Als der Forstamtsgarten in Lichtenfels von Staatswegen veräußert werden sollte, war es Meißner, der eine Gesetzesinitiative im Landtag auf den Weg brachte. Das Ziel: Nicht der Höchstbietende sollte den Zuschlag erhalten, sondern bei staatlichen Grundstücksverkäufen gerne auch der, der sich zu ökologischen Grundsätzen verpflichtet. Meißner hatte Erfolg, das Gesetz kam. Heute stehen im einstigen Forstamtsgarten zwischen Kronacher Straße und Gabelsbergerstraße nachhaltig gebaute Häuser.

Schon vor 25 Jahren mit Nachdruck regenerative Heizanlagen gefordert

„Es ist nicht so, dass wir keine Erfolge hatten.“ Bernd Hofmann erinnert sich gerne daran, wie er mit seinen Mitstreitern mit Nachdruck die Hackschnitzelheizung für die Umweltstation forderte, obwohl schon eine Gasheizung geplant war, die dann gecancelt wurde. Und an die Initiative für das Biomasse-Heizkraftwerk der Obermain Therme. Oder als er für die Berufsschule eine Hackschnitzelheizung kämpfte, als die Ölheizung marode war. „Letztlich wurde aus Platzgründen eine Pelletsheizung gebaut“; so Hofmann. Dennoch ein großer Erfolg.

Prämierte Ökosiedlung: die „Goldgrube“ in Unterneuses. Foto: Markus Drossel

Auch die Hackschnitzelheizung, die unter anderem das Meranier-Gymnasium mit Wärme verfolgt, war eine Idee aus dem Arbeitskreis. Und eigentlich war die Photovoltaik-Anlage auf der Mülldeponie Oberlangheim schon fast in trocken Tüchern. Dann aber sprang der Investor ab. Hofmann bedauert das noch heute.

Allzu selten würden die Ideen aus den Agenda-21-Arbeitskreisen Berücksichtigung finden. „Es sind in den vergangen 20 Jahren Dutzende Baugebiete in den Kommunen im Landkreis entstanden. Allzu selten wurde dabei auf Nachhaltigkeit und auf regenerative Energien gesetzt“, bedauert Hofmann. Erst seit Beginn des Ukrainekriegs seien alternative Strom- und Wärmequellen wieder verstärkt im Fokus. „Weil es an den Geldbeutel geht“, so Hofmann. „Vieles wurde lange verschlafen. Ich bin enttäuscht, dass der Funke nur allzu selten übergesprungen ist.“

Hackschnitzel sorgen bei den Hofmanns für Wärme Foto: Markus Drossel

Das gilt auch für seine Kommune. Neulich erst sagte Bürgermeister Bernhard Storath bei einer Versammlung stolz, dass für das Areal Himmelreichstraße ein Nahwärmenetz mit regenerativen Energien geplant sei. Hofmann hörte aufmerksam zu, meldete sich zu Wort. „Bernhard, das haben wir schon vor 20 Jahren gefordert“, sagte der Unterneuseser. Die Antwort des Bürgermeisters: „Du warst halt schon damals deiner Zeit voraus.“ Hofmann nickt, denn es stimmt.

Als in Ebensfeld vor Jahrzehnten die Baugebiete „Straßenäcker“ aufgeplant wurden, kam er mit der Idee einer gemeinsamen regenerativen Heizung an. Abwinken von allen Seiten. Heute steht das Baugebiet seitlich des Friedhofs. Viele wären man wohl froh, hätte man auf den Visionär damals gehört.

In den Räumen des früheren Kuhstalls steht heute eine moderne Heizanlage. Foto: Markus Drossel

Mit dem Blauen Turm“ für Aufsehen gesorgt

Schlagzeilen machte Bernhard Hofmann, als er bei den Sonnentagen den „Blauen Turm“ vorgestellt hat. Es war ein Verfahren, um aus kommunalen Biomasseabfällen Wasserstoff zu gewinnen. Entwickelt in Herten in Nordrhein-Westfalen, lief dort auch ein Prototyp. Mit dem Entwickler hatte Hofmann noch Jahre danach Kontakt: „Der ,Blaue Turm' wurde in Deutschland nicht mehr weiterverfolgt, wurde letztlich nach Mexiko verkauft.“ In Acapulco ist er nach wie vor in Betrieb.

„Papa, warum machst du das eigentlich?“, fragte einmal Bernd Hofmanns jüngster Sohn Klaus. „Ich mache es für euch“, lautete die Antwort des Vaters. Und so wird er nicht müde, auch nach Ende des Agenda-21-Arbeitskreises „Landschaft, Land- und Forstwirtschaft!“ immer wieder Impulse zu geben.

Landwirt ist Bernd Hofmann nicht mehr. Energiewirt aber schon. Die Sonnenkollektoren auf dem einstigen Stallgebäude unterstützen die Heizung und die Warmwasserbereitung, Photovoltaik-Platten liefern 25 Kilowattstunden Nennleistung Strom. Große Teile des Sonnenstroms nutzt er selbst. Die Heizung wird mit Hackschnitzeln befeuert (30 Kilowattstunden). „Ich brauche rund 20 bis 30 Kubikmeter pro Jahr“, sagt er. „Aus dem eigenen Wald“.

Effiziente Technologie zum Wohle der Umwelt: Per Touchpad lässt sich die Hackschnitzelanlage steuern. Foto: Markus Drossel

Die Ökosiedlung in der „Goldgrube“ in Unterneusses: ein Vorbild, das allzu wenige Nachahmer fand

„Ökosiedlung in Unterneuses“. Auch das steht auf einem roten Apfel am „Baum, der Früchte trägt“. „Das wäre beinahe schief gegangen“, sagt Hofmann. Es war sein Grundstück, ein Acker Richtung Pferdsfeld, das die Gemeinde zur Erschließung freigab. Nachhaltiges, umweltschonendes, flächeneffizientes Bauen wollte er dort ermöglichen, mit nachhaltigen Rohstoffen, beheizt und betrieben von und mit regenerativen Energieformen. „Das waren die Grundaussagen der Siedlungsökologie, wie wir sie bei den Sonntagen vorgestellt haben“, sagt Hofmann. Es war wie so oft: Der heute 74-jährige wurde einmal mehr für seine Vorstöße belächelt und scharf angegriffen. Doch Hofmann ließ sich nicht beirren, von Rückschlägen und Nackenschlägen nicht von seinem Weg abbringen. Auch bei diesem Projekt nicht. Seite an Seite mit Baubiologin und Diplom-Ingenieurin Gisela Raab entwickelte er die visionären Grundsätze für die „Ökosiedlung“, die den schönen Namen „Goldgrube“ trägt. Nicht nur einmal stand sie auf Messersschneide. Aber aufgeben kam nicht in Frage. Heute ist die „Goldgrube“ eine Vorzeigesiedlung, die mehrfach prämiert wurde. Und doch scheint das Vorbild „Ökosiedlung Unterneuses“ in Vergessenheit geraten zu sein. Als Hofmann vom fünf Hektar großen Baugebiet in Reundorf las, ging er ins Bauamt im Rathaus II in Lichtenfels. „Dort hätte man für die Häuser eine Biomasse-Heizanlage bauen können“, hatte er überlegt. „Leider war ich zu spät dran.“ Auch für das kommende Stadtviertel „Alter Güterbahnhof“ auf dem früheren BayWa-Gelände wäre eine solche zentrale Heizung mit regenerativen Energien höchst sinnvoll. „Bürgermeister Andreas Hügerich könnte sich hier ein Denkmal setzen“, sagt Hofmann. „Zumal die Stadt Lichtenfels mehrere 100 Hektar Wald ihr Eigen nennt.“
 

Von Markus Drossel

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