Ein Handwerker griff in einen Sockenkorb. Zehn Paar Socken für elf Euro. Doch bezahlt habe er nicht, so Staatsanwältin Jana Müller. Der 54-Jährige hätte dafür vermutlich nicht so vor Gericht gestanden, wenn er nicht schon 16 Einträge im Bundeszentralregister gehabt hätte. Es war gewissermaßen ein alter Bekannter, der am Mittwoch mal wieder wegen Diebstahls vor Gericht stand.
Am 29. April dieses Jahres hielt sich der angeklagte Handwerker gegen 15.30 Uhr vor einem Modediscounter im Citycenter auf. „Ich habe Socken gekauft, aber ich schmeiße den Zettel immer weg“, erklärte der wegen Diebstahl angeklagte Mann. Was das Gericht ihm anlastete, war, dass er die zehn Paare klauen wollte. Der Angeklagte tat überrascht und so, als hätte er nie einen Grund für derlei gehabt und auch, als habe er rechtmäßig bezahlt.
Von einer solchen Rechtmäßigkeit wusste im Zeugenstand ein Polizeibeamter nichts. Im Gegenteil, denn als er mit seinem Kollegen zufällig am Modediscounter vorbeikam, stellte er fest, wie er vom Angeklagten bemerkt wurde. Dieser „hat sein Fahrrad abgelegt und ist schlagartig im Kreis gelaufen“, jemanden mimend, der einen am Parkplatzboden liegenden Einkaufszettel sucht.
Der Kassenzettel soll weggeworfen worden sein
Den Polizeibeamten beschlich ein Bauchgefühl, und er fuhr an den Suchenden heran. „Wo ist der Kassenzettel?“, so die polizeiliche Frage. „Weggeworfen!“, so die Antwort des Mittfünfzigers. Eine Antwort, die für die Polizeistreife Grund genug barg, sich bei der Verkäuferin zu erkundigen, ob sie tatsächlich diese zehn Paar Socken verkauft habe. Ihre Antwort: „Ich habe keine Erinnerung daran, Socken verkauft zu haben.“
Eine Antwort, die sie im Zeugenstand wiederholen sollte. Dabei erinnerte sie sich sehr gut daran, dass damals diese Socken zusammen mit vielen anderen vor dem Ladeneingang in Körben lagen.
Richter Mario Geyer erklärte dem Angeklagten, dass er auch gerne Fragen zu dem ihm vorgeworfenen Geschehen stellen dürfe. Doch statt eine Frage an die Zeugin zu richten, richtete der Mann sie an die Staatsanwältin Müller. Sie lautete: „Sie sind immer auf mich sauer, haben Sie mit mir ein Problem?“
Müller signalisierte dem Angeklagten schon zu Beginn des Prozesses, wie es laut Beweislage um ihn steht. „Ich bin jetzt mal ehrlich mit Ihnen, es sieht nicht gut aus“, so die Staatsanwältin, die dem Angeklagten nicht abnahm, dass dieser für die Socken bezahlt habe.
Die Socken waren hinter dem Pullover versteckt
Dabei flocht sie etwas Autobiografisches mit ein. „Nach meiner Meinung hat sich der Sachverhalt bestätigt. Ich habe selber im Studium kassiert – man merkt sich, wenn etwas über das Band geht“, führte sie aus. Zudem ging sie auf die Art und Weise ein, in welcher der Angeklagte mit seinen zehn Paar Socken von der Polizeistreife angetroffen wurde. Er trug sie vorne am Brustbein hinter seinem Pullover und verdeckt. Für die Staatsanwältin war klar, dass da „keine Selbstreflexion mehr da ist, da ist keine Impulskontrolle, da wird sich immer wieder über die Regeln des Staats hinweggesetzt“.
Müller sollte auch aufzählen, wegen welcher Vergehen der vor ihr sitzende Angeklagte schon öfter im Saal 14 dieses Amtsgerichts saß: Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Betäubungsmittelverstoß, Beleidigung, Körperverletzung, Diebstahl, Diebstahl, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Diebstahl, Diebstahl und abermals Diebstahl.
Müller forderte in ihrem Plädoyer eine Verurteilung wegen Diebstahls und sprach von fünf Monaten Haft ohne Bewährung. „Bewährungen haben in der Vergangenheit nicht geholfen“, bilanzierte sie zum Verhalten des 54-Jährigen.
Die Socken kommen den Verurteilten teuer zu stehen
Wenig später sollte Richter Mario Geyer sein Urteil fällen. Es lautet auf fünfmonatige Haft zur Bewährung. Allerdings wird diese auf drei Jahre gestreckt bleiben, und zudem wird der Verurteilte eine Bewährungsauflage in Höhe von 300 Euro zu zahlen haben. So gesehen kostet ihn ein Paar Socken nun 30 Euro. Als der Verurteilte den Saal verließ, rief er den anwesenden Zuschauern ins Gedächtnis, besser selbst nie zu stehlen.
Von Markus Häggberg