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BURGKUNSTADT

Die Angst des Musikers vor der Absage

Kostüm, Musik und Handlung verbinden sich bei den nun schon mehrmals abgesagten Abenteuern von Jules Verne zu einer Art Pop-Operette. Foto: Markus Häggberg

Dienstagabend im Keller einer Grundschule. Es ist laut hier, denn eine Band probt für einen lange ersehnten Auftritt. Sie tut es seit Monaten und sie tut es jeden Dienstag von 19.30 bis gegen 23 Uhr. Manöverkritik inklusive. Udo Langers Band „Klangfeder“ bereitet sich darauf vor, am Abend des 2. Oktobers im Dampflokmuseum von Neuenmarkt-Wirsberg ihre Multi-Media-Show „Jules Vernes Abenteuer“ zu spielen. Es ist ein Lichtblick in einer Zeit, in der Konzerte schwer zu planen sind, gar nicht erst stattfinden oder abgesagt werden. „Klangfeder“ kann, wie so viele Bands, ein Lied davon singen.

Statt zwölf Auftritten im Jahr diesmal nur einer

„Zweistellig“, da ist sich Udo Langer sicher. Wohl so rund zwölf Konzerte hätte er mit seiner Band in einem Jahr ohne die Corona-Pandemie absolviert. Aber 2020 und 2021 waren mau. Keine Spur von Planungssicherheit, erst recht nicht bei Veranstaltern. Mit Rücksichtnahme auf das Virus wurde der Kulturbetrieb weitgehend eingestellt. Schon „im Sommer 2020 hat man nicht mehr akquirieren brauchen, um Auftritte zu kriegen, da hast du bestenfalls darüber nachgedacht, verlegte Auftritte zu wiederholen“, berichtet Langer.

„Wir haben auf drei Termine geprobt und es gibt Bands, die sich zu Tode proben und sich auflösen, weil die Termine wegbrechen und kein Land in Sicht ist.“
Andi Herold, Drummer

Der Filmschaffende aus Burgkunstadt spricht von einem Konzert, zu dem das wunderschöne Kino in Hollfeld Kulisse und Rahmen bieten sollte. Eigentlich hätte es am 25. September steigen sollen, doch es wurde wegen Corona auf den kommenden März verlegt. Es ist schon die zweite Verlegung. Auch ein Open-Air in der Naturbühne in Trebgast ist geplatzt und soll zum Pfingstfest stattfinden. So blieb noch die Hoffnung auf einen Termin im Lichtenfelser Schützenhaus, doch auch der musste zweimal verlegt werden. Alles was man weiß, ist, dass er in der ersten Jahreshälfte 2022 stattfinden könnte. Es geht um Orte, die Platz für Zuschauer bieten und lukrative Spielstätten sein können, Orte, derentwegen man probt und probt und probt. Seit April.

Drummer Andi Herold hat gute Laune. Er sitzt an seinem E-Schlagzeug und improviert gemeinsam mit dem Bassisten Gerald Klimke, dem Gitarristen Marco Hofmann und Band-Leader Langer. Das „Hallo“ fällt kurz aus, lieber begrüßt man sich beim scherzhaft-ernsten Versuch, neue Klangstrukturen zu schaffen. Doch auch Herold wechselt vom vom Scherzhaft-Ernsten zum Scherzlos-Ernsten. „Wir haben auf drei Termine geprobt und es gibt Bands, die sich zu Tode proben und sich auflösen, weil die Termine wegbrechen und kein Land in Sicht ist“.

Gerald Klimke lässt den Bass für sich sprechen. Foto: Markus Häggberg

Daniel Baier hat alles im Blick. Er sitzt Probe um Probe am Mischpult, hat die Band vor sich, ist immer gut vorbereitet. Der junge Familienvater, der in der Show überdies eine Musikeinlage bietet, geht auch abseits der Proben gedanklich mit dem Projekt schwanger. Er überlegt logistische Abläufe oder tüftelt an technischen Problemstellungen. „Wir haben ein Jahr geplant und wir mussten auch Equipment beschaffen“, erklärt der Burgkunstadter. Um den logistischen Aufwand abschätzen zu können, müssen Spielorte angefahren und aufgesucht werden.

Süßigkeiten helfen, die gute Laune trotz coronabedingter Absagen zu bewahren. Udo Langer und Drummer Andi Herold machen sich einen Spaß daraus. Foto: Markus Häggberg

Schon im Vorfeld mussten Konzepte erarbeitet werden, neue Video-Einspieler für die Show, es mussten Requisiten gekauft werden, Kabel, Saiten, dieses und jenes an Verstärkeranlagen. Ganz zu schweigen von all den Telefonaten oder E-Mails zwischen der Band und einem Veranstalter. „Die ganze Szene liegt darnieder“, hält Bassist Klimke fest und betont, dass „Klangfeder“ kein Einzelschicksal ist.

Es ist neben dem Coronavirus auch das Hygienekonzept, das Konzertauftritte erschwert oder verhindert. Wegen der Abstandsregeln kann bis zu zwei Drittel der Steh- oder Sitzplätze nicht genutzt werden und somit geraten Konzerte in wirtschaftliche Schieflagen. Hinzu kommt, dass bei Verschiebungen Besucher für das abgesagte und neu anberaumte Konzert Karten besitzen. Doch sollte das neuerliche Konzert auch abgesagt werden, bremst das den Kartenverkauf für ein weiteres Konzert auch dann, wenn dieses an einem anderem Ort stattfinden soll. „Jetzt habe ich für Hollfeld und Trebgast Karten – wieso sollte ich für Neuenmarkt-Wirsberg erneut Karten kaufen?“ Langer lächelt gequält, denn zu allem Überfluss hat er schon zu hören bekommen, dass mancher Neuenmarkt-Wirsberg mit dem weiter entfernten Neumarkt in der Oberpfalz verwechselt und darum Abstand von einem Konzertbesuch nimmt.

Bandleader Udo Langer greift in die Tasten. Foto: Markus Häggberg

Ein ums andere Mal durfte Langer seiner Band mitteilen, dass wieder ein Auftritt aus dem Veranstaltungskalender genommen wurde. Aber die Band habe weitergemacht. „Jeder hat geahnt, dass wenn Hollfeld platzt, dann auch das Konzert im Schützenhaus in Lichtenfels platzen wird. Aber man hat auch gespürt, dass die Band noch auf die letzte Karte setzt und dass noch ein Konzert übrig ist, auf das man hofft.“ Deswegen, so erinnert sich der 58-Jährige, seien die Proben spürbar gut gelaufen und es habe Spielfreude geherrscht. Langer habe sogar das Gefühl beschlichen, dass „mehr ausprobiert wurde als vorher.“

Keine Erlöse wegen der beschränkten Besucherzahl

Wut oder Enttäuschung spürt man bei den Musikern nicht. Es ist traurig, aber höhere Gewalt. Am 2. Oktober werden hoffentlich ein paar Leute zum Konzert kommen, obwohl es derzeit nach nicht viel Andrang aussieht. 400 Leute passen in die Spielstätte, auf 100 ist die Besucherzahl limitiert worden. „Da wird keiner was dran verdienen, aber das macht nichts, wir wollen spielen und eine Freude bereiten und mal wieder auf der Bühne stehen“, so Langer.

Schlagzeuger Andi Herold gibt bei Proben alles. Der Rest ist höhere Gewalt und muss in Kauf genommen werden. Foto: Markus Häggberg

Dass seine Band zu irgendeinem Zeitpunkt habe alles hinschmeißen und sich auflösen wollte, war nie der Fall. Dann greift Langer zu einem Vergleich aus dem Hochsprung: „Ich denke schon, dass du irgendwann an einen Punkt kommst, wo du dir sagst, jetzt habe ich so lange Anlauf genommen und merke kurz vor dem Absprung, dass da keine Querlatte liegt.“ Außerdem gingen manche Menschen dieser Tage auch darum nicht zu Konzerten, weil sie irrigerweise davon ausgehen, dass diese schon ausverkauft seien.

Das Konzert am 2. Oktober

Die Band „Klangfeder“ tritt am Samstag, 2. Oktober, um 19.30 Uhr im Dampflokomotivmusem Neumarkt-Wirsberg auf. Karten gibt's nur unter Tel. (09227) 5700. Einlass ist um 17.30 Uhr. Im Preis ist neben dem Konzert auch eine Dampfbahnfahrt und der Museumsbesuch enthalten.
Ein ob der Situation ins Nachdenken geratener Gitarrist: Marco Hofmann. Foto: Markus Häggberg

Von Markus Häggberg

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