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LICHTENFELS

Der Main und Lichtenfels: Reise in fließende Vergangenheit

Der Main und Lichtenfels: Reise in fließende Vergangenheit
Interessiert und fasziniert: Zuhörerinnen und Zuhörer beim Vortrag zum Main FlussFilmFest. Foto: Werner Diefenthal

Professor Dippold warf vor Beginn der Exkursion noch einen Blick in den Himmel. Ob das Wetter wohl hält, schien sein Gesichtsausdruck zu fragen, begannen sich doch dunkle Wolken am Himmel über Lichtenfels aufzutürmen. Doch um es vorwegzunehmen: Pünktlich zu Beginn des Gewitters beendete er seine Ausführungen, sodass die etwa 80 äußerst interessierten Zuhörerinnen und Zuhörer noch trocken nach Hause kamen.

Im Rahmen des FlussFilmFestes 2023 referierte der Bezirksheimatpfleger über das Leben und die Gegebenheiten entlang des Mühlbachs und des Mains in Lichtenfels. Nicht ohne Grund, so Professor Dippold, wurden früher viele Städte an Wasserwegen gebaut. Wasser war essenziell für Wachstum, waren Flüsse doch die wichtigsten Transportwege, vor allem für Bauholz und auch Holzkohle. Mit dem Bau der Mühlen wurde Wasser zum Energielieferanten, konnten doch damit auch die Mühlen betrieben werden.

Einst gab es drei Mühlen in der Stadt

In Lichtenfels gab es drei Mühlen: Die Mainmühle sowie die Obere und Untere Wöhrdmühle. Die Obere Mühle befand sich in der heutigen Bäckergasse. Hinter dem Gebäude verlief der Mühlgraben, der um 1934 verrohrt wurde, als das Bahngelände erweitert wurde. Am Gebäude selber sind Hochwassermarken als Zeugen vergangener Hochwasser zu sehen, das letzte große Hochwasser ereignete sich 1947, danach verhinderte der gebaute Hochwasserdamm weitere Überschwemmungen.

Der Main und Lichtenfels: Reise in fließende Vergangenheit
Prüfender Blick von Professor Dippold: Hält das Wetter? Foto: Werner Diefenthal

Weiter führte Professor Dippold die Interessierten zur heutigen Unterführung unter den Bahngleisen in der Coburger Straße. Dort war früher eines der Stadttore von Lichtenfels, das Coburger Tor, die Straße verlief höher und der Bahnübergang war ebenerdig. Zu Beginn waren die Öffnungen der Mauer mit Holzgattern versehen, wenn ein Zug kam, mussten diese immer geöffnet werden. Erst 1934/35 wurde die Unterführung dort gebaut.

Auf der der Stadt abgewandten Seite in Richtung Coburg, also nach der Unterführung, lebten früher vor allem die Bauunternehmer und auch Korbmacher. Im Gebiet der heutigen Coburger Straße waren dies zumeist die betuchteren Unternehmer, während in den Seitengassen die Ärmeren lebten, wie beispielsweise Fischer und auch Tagelöhner. Im Einzugsgebiet der Fluss- und Bachläufe lagen dementsprechend auch die Leimfabriken und Gerbereien. Über den Mühlbach führte damals die „Johannesbrücke“, auf der die Statue des Johannes von Nepomuk zu finden war. Als diese neu gebaut wurde, wurde auch die Statue entfernt, sie steht heute in Mistelfeld zwischen Pfarr- und Schulheim.

Hintergründe über „Brückengeschichte“

Der Main und Lichtenfels: Reise in fließende Vergangenheit
Hochwassermarken am Gebäude in der Bäckergasse. Foto: Werner Diefenthal

Interessantes wusste Professor Dippold auch über die heutige Wohngegend „Am Mühlbach“ und „Fischgasse“ zu berichten. Früher endete die Bebauung an der Fischgasse in Richtung Am Mühlbach, danach war freies Feld. Die immer größere Anzahl an Bewohnern zwang die Stadt dazu, sich in diese Richtung zu erweitern, so wurde dann die Fläche in Richtung Main bebaut, über den damals noch eine Holzbrücke führte. 1587 wurde sie neu erbaut, ebenfalls 1784 und 1832. Erst 1879 entstand die erste Brücke aus Eisen, die in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges gesprengt und danach neu aufgebaut wurde.

Die letzte Station war der heutige Schützenplatz, der frühere Schützenanger, der damals als eine Art Multifunktionsplatz diente. So wurde dort unter anderem Holz gelagert, aber auch die Zimmerer nutzen ihn zum Aufbau der Häuser, die danach wieder abgebrochen und teilweise auf Flößen verschifft wurden. Auch für Feiern und Versammlungen wurde der Platz genutzt.

Baracken für Zwangsarbeiter

Während der Nazi-Diktatur befanden sich an der Stelle, an der die jetzige Stadthalle steht, Baracken für Zwangsarbeiter. Hinter der Stadthalle waren einst Schrebergärten, die für die Sportstätten aufgelöst wurden. Doch auch die Schützen nutzten den Platz, denn hier war eine große freie Fläche, auf der sie ungestört und ohne Gefahr zu laufen, jemanden aus Versehen zu treffen, ihrer Leidenschaft nachgehen konnten.

Damit endete die äußerst kurzweilige Führung mit Professor Dippold, der scheinbar ein Abkommen mit dem Wetter geschlossen hatte, denn es blieb bis zum Ende trocken, auch wenn man sich zeitweise im Überschwemmungsgebiet bewegt hatte.

 

Von WERNER DIEFENTHAL

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