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Corona-Tagebuch: Geheimnis der Musikgeschichte gelüftet

Corona-Tagebuch: Das große Schnattern
Markus Häggberg Foto: T. Mayer

Markus Häggberg schreibt augenzwinkernd ein Corona-Tagebuch. Heute geht es um Prince und seinen E-Gitarren-Wurf.

„Liebes Corona-Tagebuch, manchmal vertut man seine Zeit, weil man mit Blindheit geschlagen ist. Man sieht das Offenbare nicht oder man will es nicht sehen. Und dann ist wieder ein Jahr vergangen und man fragt sich, warum man einfach nicht schlauer wird im Leben. Konkret will ich dir, liebes Corona-Tagebuch, davon erzählen, was Udo L. seit über einem Jahr quälte. So sehr, dass er mich ins Vertrauen zog.

Meine Güte, was haben wir in all der Zeit nicht gerätselt und uns über ein Phänomen das Hirn zermartert, das sich uns einfach nicht erschließen wollte. Udo rief mich damals sogar in der Nacht an, weil er völlig aufgelöst war. Er bekam nämlich an seinem Computer mit, wie der Musiker Prince zu Ehren des verstorbenen Beatles George Harrison auf einer Bühne ein grandioses Gitarrensolo ablieferte. Es war sensationell, es war fantastisch, pure Lebensfreude mit Genialität vermählt und in Noten gesetzt. Und dann geschah es: Prince warf seine E-Gitarre nach oben in die Luft und … sie blieb spurlos verschwunden, fiel nie wieder runter, wurde aber auch eindeutig von niemandem weiter oben aufgefangen. Magie? Zauberei? Etwas Größeres als wir alle?

Udo L. rief mich an und bald sahen wir uns diesen Auftritt gemeinsam auf dem Bildschirm an. Immer und immer wieder. In solchen Momenten wird einem schmerzlich klar, was einen von den Großen trennt. Denn während hier die eigene durchschnittliche Ratlosigkeit in die Bewältigung des Gewöhnlichen gestellt bleibt, hat dort die Vorsehung Titanen berufen, selbst noch Naturgesetze aufzuheben. Naja, zumindest glaubt man das oft und Udo L. und ich glaubten das auch.

Doch dann begegneten wir Andi H. Andi H. gilt selbst als musikalisch, obwohl er Schlagzeuger ist. Aber ein bis Schwürbitz-Süd als gesichert geltendes Gerücht besagt immerhin, dass er nur darum nicht als Trommler bei Led Zeppelin landete, weil er zu der Zeit nicht schulfrei bekam. Jedenfalls saß Andi H. im Rösla und hörte Udo L. und mir aufmerksam zu. Wir sprachen nüchtern auf ihn ein, was die Sache nicht einfacher machte. Doch der Mann zeigte sich nachsichtig und hörte sich unsere Geschichte bis zum Schluss an.

Dann blickte er Udo L. und mich einzeln an, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, griff zu seinem Bier, trank, stellte es vor sich auf dem Tisch ab, wischte sich mit der Hand über den Mund und nahm Udo L. und mich fest in den Blick. „Die Sache ist doch ganz einfach“, hob er an. Sollte jetzt der Moment gekommen sein, an dem wir endlich, endlich erführen, wo die verdammte Gitarre von Prince abgeblieben ist?

Andi H. sah Udo L. und mich wieder einzeln und mit ernster Miene an. Dann sagte er uns, dass wir nun etwas zu hören bekommen werden, was wir so gewiss nicht erwarten würden und dass es vielleicht besser wäre, wenn wir es nicht zu hören bekommen. Udo und ich bedrängten Andi H. aber, und so senkte der weise weißhaarige Mann sein Haupt und man sah ihm merklich an, dass etwas in ihm arbeitete. Dann gab er sich einen Ruck und sagte: „Habt ihr schon mal in Betracht gezogen, dass Prince samt seiner Gitarre von einem Marionettenspieler der Augsburger Puppenkiste bewegt wurde?“

Udo und ich sahen uns an und in unseren Gesichtern spiegelte sich Enttäuschung über das Gesagte. All die Monate beschäftigte uns diese eine Frage und dann bekamen wir zu ihr so eine Antwort zu hören. Manchmal liegen die Dinge so deutlich auf der Hand, dass man blindlings an ihnen vorübergeht. Ich bin jedenfalls froh, dass ich an diesem Abend noch nichts getrunken hatte, ich hätte die Antwort ansonsten vielleicht nicht geglaubt.

 

Von Markus Häggberg

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