„Ausverkauft!“, strahlte Christian Springer, als er auf die Bühne tritt. Wobei man sich in der Stadthalle, in die sein Auftritt verlegt worden war, recht verloren vorkam. Einzelne Stühle, alle mit Abstand aufgestellt, boten etwa 140 Menschen Platz, die die Eintrittskontrolle mit Impfnachweis und aktuellem Test überstanden hatten. Alle warteten gespannt auf den Kabarettisten. Auch dass man am Platz die Maske tragen musste, ließ einem die gute Stimmung nicht vermiesen. Man wusste, was kommen würde. Politisches Kabarett auf hohem Niveau. Teilweise bitterböse, aber nie unterhalb der Gürtellinie, nahm Springer alles aufs Korn, was ihm vor die satirische Flinte kam.
Die Diskussion über die gendergerechte Sprache ließ er dabei nicht aus, wobei ja Oberbayrisch wesentlich komplizierter sei als Gendern. Und außerdem: „Sternchen, Bindestrich und was auch immer. Seit wann wird Gerechtigkeit an einem Sternchen gemessen? Vielleicht sollten wir erst einmal dafür sorgen, dass Frauen und Männer gleich bezahlt werden.“ Dieser Satz löste frenetischen Beifall im Publikum aus. Diesen ihm zugeworfenen Ball nahm Springer auf und verriet eines der größten und am besten gehütete Geheimnis der Branche: „Es heißt ja immer, wir Künstler leben vom Applaus. Ehrlich? Das stimmt nicht. Wir leben vom Geld.“
Die mittlerweile abgelöste Regierung bekam ihr Fett natürlich auch weg. Es sei, so Springer, in jeder Regierung wohl üblich, einen Minister zu ernennen, der eigentlich nur dafür da sei, als „Depp für die anderen zu dienen“. Man wisse noch nicht, wer das künftig sei, „aber wir Kabarettisten werden Andi Scheuer vermissen“.

Auch auf das Thema Populismus ging Christian Springer ein. Beginnend mit der Tatsache, dass man ja in diesen Kreisen so sehr auf Nationalismus pocht und man sich immer daran störe, dass einige Fußballspieler die Hymne nicht mitsingen, klärte Christian Springer darüber auf, woher denn diese überhaupt stammt und was stattdessen beinahe unsere Hymne geworden wäre.
Die Hymne in „England“ geschrieben
Er begann mit der Feststellung, dass August Heinrich Hoffmann von Fallersleben den Text auf Helgoland verfasst hatte. Doch dieses gehörte damals zu England. Demnach wurde der Text auf englischem Boden geschrieben, dann zuerst an die Engländer verkauft und später wieder zurückgekauft. Die Musik stamme vom Österreicher Joseph Haydn, der allerdings die Melodie ursprünglich für Kaiser Franz Joseph Karl geschrieben hatte. Und der stammte aus – Florenz in Italien. Wer dem noch folgen konnte, wurde nun vollends verwirrt, denn Springer klärte darüber auf, dass die ursprüngliche Melodie ein Liebeslied aus Kroatien sei. Folglich wäre die deutsche Nationalhymne eigentlich eine Hymne für Europa.
Als Konrad Adenauer nach Chicago kam
Doch wer dachte, dass die Geschichte damit ein Ende hatte, der sah sich getäuscht. Christian Springer führte weiter aus, dass nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland über keine Hymne verfügte. Als Konrad Adenauer nach Chicago eingeladen wurde, waren die Amerikaner in der prekären Situation, dass man nichts hatte, was man spielen konnte. Christian Springer: „Für einen demokratischen Staat braucht's drei Dinge: eine Verfassung, die lag schon im Bundestag, eine Fahne, die wehte auch vor sich hin, und eine Hymne. Tja, und die hatte man nicht.“
„Heidewitzka, Herr Kapitän …“
Und so spielte man in den USA vor rund 40 Millionen Zuhörerinnen und Zuhörern am Radio als die deutsche Nationalhymne „Heidewitzka, Herr Kapitän …“ – ein rheinisches Karnevalslied.

Dass man im Bundestag den Antrag, eben dieses Lied dann offiziell als Hymne zu nehmen, von der CDU mit den Worten „das geht nicht, denn dann würde man den Deutschen unterstellen, lustig zu sein“ ablehnte, gehört allerdings eher in den Bereich der Dichtung. „Aber ich garantiere Ihnen, mit der Geschichte der Hymne treiben sie jedem Populisten die Tränen in die Augen.“
Das Publikum bedankte sich bei Christian Springer mit lang anhaltendem Applaus. Im Anschluss stellte er sich noch im Foyer für Gespräche und Autogramme zu Verfügung, was von den Gästen reichlich genutzt wurde.
Von Werner Diefenthal