Fakten, Bedenken, Emotionen – diese Aspekte prägten am Mittwochabend die Bürgerversammlung in der Franken-Akademie, bei der es um die Planung einer Notunterkunft für Flüchtlinge im Ortsteil Schney ging. Der Andrang war groß – so groß, dass die Polizei bereits 20 Minuten vor Veranstaltungsbeginn die Reißleine zog, den Einlass stoppte und darauf hinwies, dass die Versammlung tags darauf wiederholt werden würde.
Im mehr als voll besetzten Saal galt es für Landrat Christian Meißner von Beginn an, die aufgebrachten Gemüter zu beruhigen, die Fakten auf den Tisch zu legen und alle relevanten Informationen an die Bürgerinnen und Bürger weiterzugeben. Mehrmals im Laufe der Veranstaltung machte er deutlich, dass der Landkreis mit der Unterbringung von Flüchtlingen eine staatliche Pflichtaufgabe zu erfüllen habe. „Wir erhalten monatlich Zuweisungen aus der ANKER-Einrichtung in Bamberg und sind dazu verpflichtet, Flüchtlinge und Asylbewerber bei uns unterzubringen“, betonte der Landrat immer wieder.
Kapazitäten sind erschöpft
Zur Flüchtlingssituation im Landkreis Lichtenfels äußerte sich Regierungsrätin Kathrin Bullmann mit aktuellen Zahlen und Daten. Derzeit beherberge der Landkreis 654 Asylbewerber, wovon allein in den letzten neun Monaten 256 aus Bamberg zugewiesen wurden, die durch das Landratsamt dezentral untergebracht werden mussten. „Alle dezentralen Unterkünfte im Landkreis sind nahezu voll belegt, die Kapazitäten sind erschöpft“, erklärte Kathrin Bullmann und wies darauf hin, dass das Landratsamt mit dem Rücken zur Wand stehe.

Um weiterhin sicherstellen zu können, dass die nach wie vor ankommenden Flüchtlinge auch angemessen untergebracht werden, müssen die Landratsämter eigene, weitere Unterkünfte bauen. Eine solche sei nun auf einem landkreiseigenen Grundstück in der Friedrich-Ebert-Straße oberhalb des Fußballgeländes in Schney geplant.
„Es handelt sich dabei nicht um dauerhaften Wohnraum, sondern um eine Notunterkunft, die als Puffer geplant ist, um kurzfristig auf hohe Zugangsgeschehnisse reagieren zu können, wie es zum Beispiel zu Beginn des Ukraine-Kriegs der Fall war“, stellte die Regierungsrätin klar, und ergänzte, dass die andauernde Sperrung der Berufsschulturnhalle keine Lösung sei.
Notunterkunft für maximal 66 Personen

Die Vorstellung der Planungen übernahm Christine Münzberg-Seitz, Leiterin der Abteilung Bauen und Umwelt, Kommunales am Landratsamt Lichtenfels. „Wir planen einen zweigeschossigen Bau in Modulbauweise, was den Vorteil einer schnellen Bauzeit und eines unkomplizierten Rückbaus mit sich bringt“ so Münzberg-Seitz. „Das Grundstück haben wir deshalb in Betracht gezogen, weil es über eine gute Verkehrsanbindung und Infrastruktur verfügt und eine bauliche Realisierung ermöglicht.“ Der Betrieb der Unterkunft, in der bis zu 66 Personen untergebracht werden können, erfolge über das Landratsamt Lichtenfels. Zudem werde es „Kümmerer“ vor Ort geben, die nach dem Rechten sehen und Hilfe zu Selbsthilfe leisten.
Bedenken wegen Infrastruktur
Soweit die Fakten, die trotz der aufgeheizten Stimmung verhältnismäßig reibungslos von den Vertreterinnen und Vertretern des Landkreises vorgestellt werden konnten, abgesehen von einzelnen Zwischenrufen, Unmutsbekundungen und Brülleinlagen mancher Teilnehmer, die sich offensichtlich nicht beherrschen konnten. Darauf folgte die Fragerunde, die vor allem von Bedenken und Emotionen geprägt war.
So mahnten mehrere Bürgerinnen an, dass die Infrastruktur bereits jetzt erschöpft sei und es an Ärzten und Kinderbetreuungsplätzen mangele. Auf den Einwand, dass dies langsam nicht mehr zu schaffen sei, reagierte Landrat Christan Meißner mit Verständnis: „Wir wissen um die Situation und transportieren unseren Unmut natürlich auch an die Bundesregierung, der wir klarmachen, dass die Strukturen so nicht mehr funktionieren werden und sich etwas ändern muss. Wir werden auch weiterhin unsere Stimme erheben.“
Frage nach den Alternativen
Ebenfalls mehrfach im Raum stand die Frage nach alternativen Grundstücken und Räumlichkeiten, sei es am Güterbahnhof in Lichtenfels oder im ehemaligen Altenwohnheim der Maiacher Stiftung in der Nordgauer Straße. Hierzu erläutere die anwesende zweite Bürgermeisterin Sabine Rießner, dass zur Erfüllung des Stiftungszwecks dort Seniorenwohnungen entstehen sollen und das Gebäude aktuell zu marode sei, um kurzfristig für Flüchtlinge genutzt werden zu können. Ähnliches gelte, wie der Landrat ergänzte, auch für das alte Krankenhaus, dessen Sanierung nicht nur zu lange dauern, sondern auch kostentechnisch in die Millionen gehen würde.
Letztlich blieben erwartungsgemäß auch die vorurteilsbelasteten Äußerungen im Laufe der Versammlung nicht aus, zumal es sich voraussichtlich um Männer aus Syrien handelt, die dem Landkreis vom ANKER Zentrum in Bamberg aus zugewiesen würden. Einige Schneyer Bürger sorgten sich um den Schutz ihrer Frauen und Kinder, auch anwesende Bürgerinnen verwiesen auf die „andere Mentalität“ der Migranten und äußersten deutlich ihre Sicherheitsbedenken, auch im Hinblick auf das angrenzende Sport- und Vereinsgelände.
Landrat Christian Meißner zeigte sich abermals verständnisvoll, führte aber auch an, dass sich in anderen, kleinen Orten im Landkreis die vormals ähnlich vehement geäußerten Bedenken der Bürger nicht bewahrheitet hätten – ganz im Gegenteil. „Ich kann Ihnen Ihre Sorgen und Ängste nicht abnehmen, aber ich kann Ihnen hier und heute versichern, dass wir aufpassen werden“, so Meißner abschließend.
Je nach Genehmigungsprozessen und Verfügbarkeit von Containern rechne der Landrat nicht vor September mit einer Fertigstellung und betonte abermals, dass der Landkreis weiterhin nach dezentralen Unterkünften suche, um die Aufenthaltszeit der Asylbewerber und Flüchtlinge in der Schneyer Notunterkunft so kurz wie möglich zu gestalten.


Von Marion Nikol