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LICHTENFELS

Amtsgericht Lichtenfels: Haftstrafe für Vergewaltigung

Vor Gericht: Lichtenfelser bedrohte und beleidigte Passanten
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Rechtsanwalt Maximilian Glabasnia sagte es nur im Spaß, aber er sagte es auf dem Flur des Amtsgerichts zu zwei Polizeibeamten, die seinem Mandanten kurz vorher die Handschellen abnahmen: „Ich lasse ihn rennen, wenn er rennt, das sage ich Ihnen gleich.“ Der Rest des Geschehens war kein bisschen spaßig, denn es ging in einem Schöffengerichtsprozess um Vergewaltigung und das Ausspielen von Macht.

Eines sollten am Ende der Verhandlung sowohl Staatsanwalt Harun Schütz wie auch die Nebenklagevertreterin Kristina Freifrau von Imhoff dem 27-jährigen Angeklagten zugute halten. Den Umstand nämlich, wonach er so geständig und kooperativ war, dass er damit dem einstigen Opfer eine Aussage vor Gericht ersparte. Worum es ging war der 11. Mai 2020. An diesem Tag sandte der angeklagte Elektriker an eine damals 16 Jahre alte Bekannte, dass diese bei seiner Ex-Freundin zu übernachten habe. Täte sie es nicht, würde er ihren Freund dazu bringen, die Beziehung mit ihr aufzugeben.

Aus Angst davor begab sich der Teenager am Folgeabend zu der genannten Adresse im Gemeindegebiet Michelau. Dort trank sie zunächst mit der damaligen Freundin des Angeklagten, die nicht in die Pläne eingeweiht war, Alkohol. Bald trudelten über Handy Anweisungen an die jungen Frauen ein, so erst die nach Unterwäsche-Fotos und hernach nach Nacktfotos. Auch hier drohte der Angeklagte dem Opfer damit, dass sie ja wissen würde, was passiere, wenn sie sich verweigere. Dann ordnete der Mann noch an, dass man auf ihn zu warten habe. Zwischen 23 und 24 Uhr begab er sich zu der Adresse der beiden Mädchen und gebot ihnen gegenseitige Manipulationan an den Geschlechtsteilen. Auch vollzog er den Geschlechtsverkehr mit seiner Freundin und erzwang auch, dass das Opfer an seinem Geschlecht manipulierte.

Kein unbeschriebenes Blatt

Zweimal kam es zu Unterbrechungen des Prozesses, zweimal bestand die Gelegenheit, den Angeklagten während solcher Phasen zu beobachten. Bewacht wurde er im Saal von zwei ihn im Auge behaltenden Polizeibeamten, die ihn aus einer Justizvollzugsanstalt (JVA) überführten. Einen großen Ordner vor sich auf dem Tisch habend, spielte der Mann oft an einem Körperschmuckstück, während sein linkes Bein unentwegt wippte. Offenkundig gingen ihm die Konsequenzen seines Tuns durch den Kopf. Sein Verteidiger Glabasnia sollte zur Prozesseröffnung das Sprechen für ihn übernehmen und den Lebenswandel seines Mandanten schildern.

„Nie gespritzt, nur geschnupft“

Der sei bestimmt gewesen durch Alkhohol, THC und Kokain. Die Tat selbst geschah unter Drogeneinfluss. „Es tut ihm von Herzen leid, was sich hier ereignet hat“, so Glabasnia, der versicherte, dass man einen Geläuterten vor sich habe, der „ordentlich mit seinen Straftaten aufräumen“ wolle. Was es aus psychologischer Sicht zu ihm und seiner Tat zu sagen gab, dazu äußerte sich der Erlanger Sachverständige und Arzt Thomas Wenske, zuständig für forensische Psychiatrie.

Er erzählte von den zerrütteten Familienverhältnissen des Mannes, davon, dass ihm ein Halbbruder an einer Überdosis starb, dass er 15 Monate in der JVA Ebrach abgesessen hatte und dass eine ADHS-Erkrankung ihm den Weg zu höherer Schulbildung verbaute. Heutiger Schuldenstand: 15 000 bis 19 000 Euro. Wenske erzählte von dem Kokain und davon, dass dieses „nie gespritzt, nur geschnupft“ wurde. Er sprach auch davon, dass Kokain die sexuelle Appetenz steigert, so wie an dem Tag des Verbrechens und dass möglicherweise pädophile Neigungen vorliegen könnten. Doch in den Gesprächen mit dem Täter habe er auch die Erkenntnis gewonnen, dass „er therapiewillig ist“. Vor allem zeigte sich der Mediziner „fasziniert“ von dem Gedächtnis des Angeklagten. „So einen Detailreichtum habe ich so noch nie erlebt – ein sehr gutes Gehirn“, bescheinigte er.

14 Vorstrafen zwischen Beleidigung und Sachbeschädigung hatte der Angeklagte schon. Doch wie sei er nun zu bestrafen? „Eine spannende Frage“, wie Schütz es ausdrückte. Er plädierte für drei Jahre Haft und eine Unterbringung in einer Erziehungsanstalt. Das Urteil, zu dessen Findung sich das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Matthias Huber für Minuten zurückzog, sollte wegen nachgewiesener Vergewaltigung letztlich auf zwei Jahre und neun Monate sowie Unterbringung in einer Erziehungsanstalt lauten. Auch wird er dem Opfer 3000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen haben. Auch Huber sollte dem Verurteilten noch etwas mit auf den Weg geben: „Er hat reinen Tisch gemacht.“ Dann klickten wieder die Handschellen, der Mann wurde abgeführt und fuhr mit den beiden Polizeibeamten, die ihn gebracht hatten, davon.

Von Markus Häggberg

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