aktualisiert:

NIEDERAU

Voller Wissen, Erfahrung und Herz: Karlheinz Ferle

Voller Wissen, Erfahrung und Herz: Karlheinz Ferle
Feuerwehrmann, Fels in der Brandung, Interessensvertreter, Zuhörer und vor allem Mensch: Karlheinz Ferle. Foto: Corinna Tübel

Seit 40 Jahren prägt Karlheinz Ferle die Freiwillige Feuerwehr Ebensfeld. Einst Kommandant, heute weiterhin aktiv gilt er als „Fels in der Brandung“, Er ist Interessensvertreter der Floriansjünger und Kamerad. Außerdem unterstützt er die Freiwillige Feuerwehr Niederau als 2. Kommandant. Doch 365 Tage im Jahr Feuerwehrmann sein bestärkt und erschüttert

Ich habe diesen Mann kennengelernt. Wir sitzen vor dem Feuerwehrhaus Niederau und plaudern. Neben uns grasen ein paar Pferde auf der grünen Weide. Die Idylle erhält noch eine besondere „Krone“ durch das Glitzern in den Augen meines Gegenübers.

Jedem Einsatz liegt ein Unglück zugrunde – und das beschäftigt

Dieser ist groß gewachsen, hat starke Arme und ein ausdrucksvolles Gesicht. Er erzählt gerade von der starken Kameradschaft in den Freiwilligen Feuerwehren Ebensfeld und Niederau, von gemeinsamen Festen und den engagierten Nachwuchskräften. Doch plötzlich wird der Schauplatz dunkel, auch ohne Wolken. Denn jedem Einsatz, den man als Team bewältigt, liegt ein Unglück zugrunde. Und das beschäftigt den Mensch Karlheinz Ferle oft.

Voller Wissen, Erfahrung und Herz: Karlheinz Ferle
Karlheinz Ferle hat seinen Platz gefunden – in der Kameradschaft der Freiwilligen Feuerwehren Ebensfeld und Niederau. Foto: Corinna Tübel

Als er, wie viele Jungen seiner und auch heutiger Generation, schon früh den Wunsch formulierte „Ich will Feuerwehrmann werden“, schien solche Last weit weg. Bis er volljährig war, musste er aber noch „zuschauen“, wenn die Kameraden mal wieder mit dem Einsatzfahrzeuge vorbeifuhren oder sich bei örtlichen Festen präsentierten. Kurz vor seinem 18. Geburtstag stand dann aber der damalige Kommandant der Ebensfelder Wehr vor seiner Tür: „Morgen kommst zur Feuerwehr, hat er gesagt“, erinnert Ferle sich.

Feuerwehrdienst ist lebendig und ernst

Der Maschinenschlosser ist gekommen. Er hat gelernt und sich weiterentwickelt. Im Laufe der Zeit hatte er viele Ämter inne, vom Gerätewart über Gruppenführer bis hin zum Atemschutzgeräteträger. Unzählige Lehrgänge hat er im Laufe der vergangenen 40 Jahre besucht, unter anderem zur Technischen Hilfeleistung und Ersten Hilfe. Eine aufregende Zeit, erinnert er sich.

Voller Wissen, Erfahrung und Herz: Karlheinz Ferle
Karlheinz Ferle ist eine feste Größe in den Freiwilligen Feuerwehren Ebensfeld und Niederau. Foto: Corinna Tübel

„Die Feuerwehr ist lebendig, sie sprüht vor Kameradschaft, tut Gutes und fordert: Für alle Technikinteressierten ist die Feuerwehr ein riesiger Spielplatz – mit ernstem Hintergrund.“ Besonders stolz sind die Ebensfelder auf die Drehleiter, die oft auch für Personenrettung über Balkone und mehr genutzt werde. Auch auf zwei neue Löschfahrzeuge können sie blicken. „So viele Fahrzeuge hatten wir noch nie.“ Durch die neue integrierte Leitstelle seien die Einsätze zudem optimiert worden. Auch heute noch fährt Karlheinz Ferle bei Einsätzen der Freiwilligen Feuerwehr Ebensfeld mit und ist 2. Kommandant der Feuerwehr Niederau. Mit dem Führungsamt musste sich Karlheinz Ferle jedoch erst „anfreunden“, das gibt er offen zu. Als sein Vorgänger aus Altersgründen zurücktrat, plädierte der damalige Bürgermeister der Gemeinde Ebensfeld für ihn.

„Schicken Sie mal jemanden ins Feuer...!“
Karlheinz Ferle, seit 40 Jahren bei der Feuerwehr

Ferle zögerte. Warum? „Schicken Sie mal jemanden ins Feuer...!“, erklärt der heute 60-Jährige. „Es ist etwas ganz was anderes, ob du als Feuerwehrmann in ein brennendes Haus gehst oder ob du die Verantwortung für deine Kameraden hast, die dann hinter der Haustür verschwinden.“

Noch heute wird der selbstbewusste und gefestigte Mann nervös bei solchen Erinnerungen: der Respekt vor den Elementen, der Schutz der Bevölkerung aber auch der Kolleginnen und Kollegen…

Voller Wissen, Erfahrung und Herz: Karlheinz Ferle
Karlheinz Ferle ist immernoch bei Einsätzen der Freiwilligen Feuerwehren Ebensfeld und Niederau dabei. Foto: Corinna Tübel

Selbstbewusst die Position seiner Feuerwehrkräfte vertreten

Zwei Perioden hatte er dennoch das Amt des Kommandanten inne. Das sind zwölf Jahre voller Einsatz für den Nächsten, Führung der Truppe und auch voller Gespräche mit lokalen politischen Vertretern, der Landkreisführung oder anderen Feuerwehren.

Als es beispielsweise um die ICE-Neubaustrecke bei Ebensfeld oder die Zuständigkeiten bei dortigen Tunnelrettungen ging, vertrat Ferle selbstbewusst die Position seiner Feuerwehrkräfte. Es kam anders als von ihm gewünscht, doch der Kommandant trug die Entscheidung: „Dann muss ich meine Leute dementsprechend bestmöglich ausbilden!“

Neue Technik verändert die Rettung

Unfälle mit Beteiligung von ICE-Zügen seien zum Glück selten. Zweimal habe er im Laufe seiner Dienstzeit an schreckliche Orte solchen Geschehens kommen müssen. Durch die Nähe zur Autobahn werden die beiden Feuerwehren auch oft zu Verkehrsunfällen gerufen. Rund zehnmal im Jahr, schätzt Ferle.

Verändert habe sich in den 40 Jahren seiner aktiven Dienstzeit wenig und doch viel: Die Arten der Einsätze seien gleich geblieben. Brände und Überschwemmungen gebe es immer noch, nur habe sich die beteiligte Technik weiterentwickelt. Verkehrsunfälle seien anspruchsvoller geworden. Einerseits sind die Fahrzeuge durch die verwendeten Materialien stabiler geworden, das kann auch eine Rettung jedoch auch erschweren. Zudem müssen sich Feuerwehrkräfte heute zusätzliches Wissen über Elektro- oder Erdgasfahrzeuge aneignen.

Als das Holzkraftwerk in Zapfendorf brannte

Was sich jedoch kaum ändert ist die Betroffenheit der Feuerwehrkräfte. So erinnert sich Karlheinz Ferle auch an einige Großeinsätze wie etwa der Brand eines Holzkraftwerks in Zapfendorf in den 1980-er-Jahren, bei dem gar Holzklötze über die Straßen geflogen seien und angrenzende Vorgärten in Brand geraten seien.

Besonders berührend seien aber auch Totenbergungen. Einige von ihnen hat Karlheinz Ferle auch persönlich gekannt. Er habe sich oft gefragt: Waren wir schnell genug vor Ort? Was hätten wir noch tun können?

„Als Feuerwehrmann weiß man, dass so etwas passieren kann, aber wenn es dann passiert, erwischt es einen trotzdem mit großer Wucht.“ Dem erfahrenen Mann helfen in solchen Fällen Gespräche mit seinen Kameraden, er spricht und hört zu. Auch die psychosoziale Notfallseelsorge, die in den letzten Jahren weiter aufgebaut worden sei, bilde eine Anlaufstelle. Manchmal erinnert er sich an die Worte von Johann Strauss: „Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist.“ Das funktioniere oft, aber nicht immer.

Dankbarkeit und Zusammenhalt machen stark

Zum Glück gibt es auch bereichernde Momente im Feuerwehrdienst. Etwa, wenn er Kinder in Not geholfen hat und diese anschließend mit einem aufgeblasenen Gummihandschuh, als Gesicht verziert, zum Lächeln bringen kann. Dann ist da die Dankbarkeit der an einem Unfall beteiligten Menschen. Der Zusammenhalt aller Einsatzkräfte an einem Unfallort, ob Polizei, Rettungskräfte, Technisches Hilfswerk oder Bergwacht. Und die Erleichterung, wenn nach einem Einsatz alle Kameraden wohlbehalten im Feuerwehrhaus zusammenkommen.

Das gilt auch für die Freiwillige Feuerwehr Niederau. Sie ist die zweitkleinste ihrer Art im Landkreis Lichtenfels. Zunächst gegründet als „Selbsthilfeeinheit“, sagt Ferle und lächelt, für die vielen Überschwemmungen des nahen Mains, sei sie jedoch unverzichtbar für die Menschen, die hier leben. Durch die Hochwasserfreilegung und anderen Maßnahmen habe die Häufigkeit jedoch abgenommen. Als sich 2013 niemand weiteres für das Amt des 2. Kommandanten dort fand, hat kurzerhand Karlheinz Ferle übernommen.

Voller Wissen, Erfahrung und Herz: Karlheinz Ferle
Eine kleine Feuerwehr mit einer großen Persönlichkeit als stellvertretendem Kommandanten: Die Freiwillige Feuerwehr Niederau mit Karlheinz Ferle. Foto: Corinna Tübel

Feuerwehrmann ist man 365 Tage im Jahr

Für sein 40-jähriges Engagement wird Karlheinz Ferle bald von der Marktgemeinde Ebensfeld geehrt. Er ist schon Träger des Feuerwehr-Ehrenzeichens des Freistaates Bayern, hat außerdem das Fluthelferabzeichen und viele vereinsinterne Auszeichnungen erhalten.

„Feuerwehrmann-Sein“, das ist für ihn kein befristetes Amt, das gelte 365 Tage im Jahr. Sieht er etwa Unfallfotos in der Zeitung, stellt er sich die Arbeit der beteiligten Einsatzkräfte zugleich vor und vergleicht sie mit der eigenen Tätigkeit. Auch die Zukunft und Nachwuchsarbeit beschäftigen ihn: So blickt er begeistert auf die Brandschutzerziehung in Schulen oder die Kinderfeuerwehr in Ebensfeld.

Weitermachen will er immer noch. Sein früheres Tempo muss er gesundheitsbedingt jedoch etwas drosseln. Dafür trifft man ihn oft draußen in der Natur beim Wandern oder Radfahren an. Schrillt der Alarm, weiß man jedoch: Karlheinz Ferle unterstützt seine Kameraden an 365 Tagen im Jahr – als Feuerwehrmann und als Mensch.

 

Von Corinna Tübel

Weitere Artikel