Wenn es um Themen wie Bindungen oder Vergänglichkeit in Liedern geht, erwarten wir oft Künstlerinnen und Künstler im gesetzten Alter. Mit viel Lebenserfahrung, wie man so sagt. Bei Festival „Lieder auf Banz“ überraschte jedoch ein 17-Jähriger das Publikum auf ganz besondere Weise: Egon Werler ist nicht nur der jüngste Nachwuchspreisträger in der Geschichte der Förderung der Hanns-Seidel-Stiftung. Mit zunächst erschreckender Ehrlichkeit erzählte er tausenden von Menschen im Publikum vom Tod seines Stiefvaters, gleichzeitig sprach er aber auch über seine Hoffnung, diesen in ihm weiterleben zu lassen. Durch Erzählungen, Lieder und Erinnerungen.
So hatten viele Zuhörer schon vor seinem Lied „Dicker als Blut“ Gänsehaut. Die Finger fest auf den Klaviertasten ließ er sein Publikum aber nicht in Melancholie zurück, sondern nahm sie mit seiner Energie und Stimmgewalt mit in die Zukunft, genau diese Menschen auf andere Weise weiterleben zu lassen.
Tiefe und Leichtigkeit vermischen sich
Vielleicht kann man diese neue Generation an Liedermachern, die da laut dem Künstlerischen Leiter der Lieder auf Banz Thomas Schimm gerade heranwächst folgendermaßen beschreiben: Es sind Frauen und Männer, die ganz tief in ihr Inneres blicken lassen, die sich verletzlich zeigen, aber auch aus verschiedenen Quellen Energie schöpfen. Und diese geht auf das Publikum über.
So auch bei Fidi Steinbeck geschehen: Die gelernte Bootsbauerin versteckt in Titeln wie „Klopf drei mal“ die Sehnsucht der Menschen nach Nähe und Innigkeit. Tiefe und Leichtigkeit vermischen sich so, dass sie völlig natürlich erscheint.
Auch Moderator Bodo Wartke zeigt sich beeindruckt von der jungen Frau: „Sie verleiht dem deutsche Pop Tiefgang“. Gewohnt humorvoll, mit brillantem Wortspielereien und Liedern führte der Musikkabarettist, Liedermacher und Schauspieler durch den Abend vor der malerischen Kulisse von Kloster Banz. Lediglich ein Song, der etwa auf ein „Update für die Heilige Schrift“ oder eine „Fege-Firewall“ anspielte, könnte die Grenze des schwarzen Humors für das Publikum überschritten haben.

Von Trostpflastersteinen und einem Vollmondgesicht
Für ein ganz anderes „Kribbeln im Bauch“ sorgte später auch Pe Werner. Die Sängerin, die zum ersten Mal Gast „auf Banz“ war, sprach und sang offen über ihre Lieblingsthemen: Essen und Männer, die für sie selbst „ja auch irgendwie zusammengehören“. Während das eine Lied gerade noch von einem „Vollmondgesicht“ und einer runden Figur handelte, zeigte sie sich im Duett mit Pit Lenz zu den „Trostpflastersteinen“ oder im Abschlusslied an die beste Freundin „Du bist meine Sonnenmacherin“ herrlich gefühlvoll. Später, im Duett mit Heinz Rudolf Kunze zum Klassiker „Dein ist mein ganzes Herz“ übrigens ebenso.
„Wie geht es ihnen, Herr Putin?
Wie schlafen Sie bei Nacht?“
Heinz Rudolf Kunze,
Musiker

Der Sänger hatte viele bekannte Lieder dabei, die aktueller denn je kaum sein können: „Aller Herren Länder“ und viele mehr. Doch er wird noch konkreter: Mit einem erzählerischen Lied über einen jungen russischen Soldaten Igor, der voller Todesangst in den Krieg gegen die Ukraine ziehen musste, klagte er den Verantwortlichen ganz direkt an: „Wie geht es ihnen, Herr Putin? Wie schlafen Sie bei Nacht?“ Ein ähnliches Thema beschäftigt auch die dritte Nachwuchspreisträgerin des Abends: Ronja Maltzahn. Gefühlvoll bietet sie ihr Lied „für alle die, die ihr zu Hause verloren haben“, dar. In „Nebel“ wird es mystisch, in einem anderen in Anlehnung an die Geschichte um Ronja Räubertochter abenteuerhaft: Es sind Texte voller Mut und Stärke, wenn Menschen sich verbinden.

„Auf Banz“ haben sich Menschen zunächst im Kleinen verbunden: Gemeinsam mit Jan Plewka, der sich auch kurz unters Publikum mischte, und Marco Schmedtje stimmte ein gewaltiger Chor zum allseits bekannten „Forever young“ an. Auch diese beiden Künstler teilten die Themen Liebe und Träume in ihren Liedern mit den Gästen.
Eine Sehnsucht, wenn auch nicht nach menschlichem Gegenüber, besang auch Hannes Ringlstetter. Er sorgte für ausgelassene Stimmung und bayerisch-italienisches Dolce Vita-Gefühl am Obermain. Zu Titeln wie „Julinacht“ oder „Gardasee“ tanzte das Publikum ausgelassen. Auch das Zürcher Duo Steiner & Madlaina sorgte für Bewegung mit einer Mischung aus Folk und Popmusik.
Sind wir dennoch „Spießer“? Wenn es nach Roland Hefter geht, vielleicht. Hart, aber sympathisch hielt er den Zuhörern den Spiegel vor. Es ging um Anhalter-Fahren ganz ohne Fahrgemeinschaft-Apps und weitere alltägliche Dinge: „Früher waren die alten die Spießer, und jetzt?“

Wenn alte Botschaften erschreckend aktuell sind
Alles andere als das ist sicher die Band Karat. Zum ersten Mal auf Banz wurden sie fulminant begrüßt. Ihre bekannten Klassiker wie „Albatros“ oder „Der Blaue Planet“ zeigen, dass wir mit vielen Themen nur wenige Schritte weiter gekommen sind. Oder gar zurück? Das lautstarke „Über sieben Brücken“ war sicher weit über die Hügel am Obermain zu hören. Eine Hoffnung, dass wir es doch noch schaffen können?
Ins gewaltige musikalische Finale stimmten alle Künstlerinnen und Künstler des Abends ein.





Von Corinna Tübel