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BAD STAFFELSTEIN

Projekt MILAS in Bad Staffelstein: Praxisphase beginnt bald

Hier könnte die Teststrecke für das Projekt MILAS entlanglaufen: Professor Dr.-Ing. Benedikt Schmülling von der Bergischen Universität Wuppertal (re.) in der Bahnhofstraße im Gespräch mit Quartiersmanager Michael Böhm. Foto: Markus Drossel

Halbzeit im Projekt MILAS – und jetzt wird es richtig spannend: Wie Professor Dr.-Ing. Benedikt Schmülling von der Bergischen Universität Wuppertal in der jüngsten Sitzung des Stadtrats informierte, soll möglichst bis Ende Oktober 2023 ein zuverlässiges Liniensystem für die autonomen Shuttlebusse zwischen Obermain-Therme/Bahnhof und Innenstadt in Betrieb sein.

MILAS, das steht für Modulare intelligente induktive Ladesysteme für autonome Shuttles, also ein Forschungsprojekt, bei dem das kontaktlose Laden von elektrisch betriebenen Fahrzeugflotten im öffentlichen Raum erprobt und erforscht wird. Gefördert – zu 100 Prozent – wird es vom Bundesministerium für Wirtschaft, wissenschaftlich betreut von der Bergischen Universität Wuppertal und der Technischen Universität München.

Induktives Laden, so der Professor, kenne man von elektrischen Zahnbürsten oder Mobiltelefonen. Bei den Bussen, die autonom durch Bad Staffelstein fahren sollen, brauche es aber weit mehr Leistung und damit Technik, die noch nicht so weit verbreitet sei. Die Herausforderung sei entsprechend größer.

Perspektivisch sollen die Busse ganzjährig autark fahren

„Wir wollen zeigen, dass es möglich ist, und wollen die Technik verbessern“, so Professor Schmülling. Um das ganze CO2-neutral zu halten, habe man den regionalen Partner IBC Solar an Bord, der eine dezentrale Versorgung mit regenerativen Energien mit aufbaue, die wiederum für die Shuttlebusse genutzt werden sollen. „Perspektivisch sollen diese Busse ganzjährig autark fahren“, so der Doktor-Ingenieur. Und vor allem autonom, also ohne Mensch am Lenkrad. Im Bereich des Park-and-Ride-Parkplatz am Bahnhof und entlang der Strecke soll es im Fahrbahnbereich induktive Ladestationen geben, an denen die Vehikel im laufenden Betrieb „aufgetankt“ werden.

Das, was in Bad Staffelstein erforscht und erprobt wird, soll ein wichtiger Meilenstein werden. „Ziel ist es, mit möglichst minimalem Bau von Infrastruktur möglichst viele Buslinien betreiben zu können“, so Professor Schmülling. Auf denen die Fahrzeuge dann kontaktlos geladen werden.

Doch das ist noch Zukunftsmusik, wenngleich es in 2023 in die beiden Praxisphasen geht. Zunächst werden die autonomen Shuttlebusse in Kronach bei der Firma Valeo auf einer Teststrecke vorbereitet, im weiteren Verlauf dann die Ladepunkte in Bad Staffelstein installiert. Dann startet der Live-Betrieb im öffentlichen Raum. Schmülling zeigte eine Teststrecke zwischen Obermain-Therme und dem Rathaus: „Diese ist aber noch nicht final, die endgültige Entscheidung steht noch aus.“

Laser-Scanner, Kameras und weitere Systeme sollen die autonomen Busse nicht nur in der Spur halten, sondern auch helfen, Hindernissen auszuweichen und auf den Ladepads automatisiert anzudocken. Im Umfeld der Therme könnten Module mit magnetisierbarem Beton entstehen. Prototypen werden bei Valeo erprobt. Doch welche Auswirkung hat diese Elektromagnetik auf die Menschen? Auch das wird erforscht, und zwar von den Wissenschaftlern der TU München. „Sie werden hier das erste dynamische Ladesystem im öffentlichen Raum in Europa erhalten.“

„Sie werden hier das erste dynamische Ladesystem im öffentlichen Raum in Europa erhalten.“
Professor Dr.-Ing. Benedikt Schmülling, Bergische Universität Wuppertal
So sieht er aus, der künftige autonom fahrende Shuttle-Bus für Bad Staffelstein. In 2023 beginnen die Praxistests. Foto: ArchivRoger Martin

Zwischendurch hatte sich ein Problem mit einem Lieferanten und Lieferfristen ergeben, das aber schnell gelöst wurde. „Herr Böhm kämpft unermüdlich für die Sache, Sie haben hier eine hervorragende Personalentscheidung getroffen“, lobte Professor Schmülling das aufopferungsvolle Miteinander mit Quartiersmanager Michael Böhm. Dieser neue Lieferant habe auch an TaLaKo, ein induktives Taxiladekonzept in der Großstadt Köln, mitgewirkt. Dieses laufe vielversprechend.

„Wir können es schaffen, bis Oktober 2023 ein funktionierendes Busshuttlesystem mit induktiver Ladestruktur in Bad Staffelstein zu haben“, wagte der Professor eine Prognose. „Was nicht heißt, dass die Busse nicht schon eher fahren.“

Die Erprobung über eine lange Zeit und auch zu verschiedenen Witterungen werde wertvolle Erkenntnisse bringen. „Mit der Erforschung bei Temperaturschwankungen bewegen wir uns tatsächlich auf Neuland.“ Das Projekt MILAS ist (vorerst) bis Juli 2024 ausgelegt. Ottmar Kerner (CSU) machte aus seiner Skepsis keinen Hehl. Beim Probefahren mit autonomen Bussen in Kronach hätten diese aufgrund von Falschparkern immer wieder abrupt gestoppt, der Begleiter musste das System neu booten. Und das, obwohl die Testphase auf dieser Strecke schon abgeschlossen sei. „Das ist für mich nicht befriedigend“, so Kerner. Professor Schmülling antwortete, dass auch die Strecke in Bad Staffelstein Herausforderungen berge, beispielsweise die Engstellen in der Bahnhofstraße.

Hier, im Bereich des Park-and-Ride-Parkplatz am Bahnhof, könnte eine induktive Ladestruktur entstehen: Professor Dr.-Ing. Benedikt Schmülling (li.) von der Bergischen Universität Wuppertal im Gespräch mit Bad Staffelsteins Quartiersmanager Michael Böhm. Foto: Markus Drossel

Volker Ernst (Freie Wähler) wollte mehr zu Lieferanten, Lieferzeiten und Haltbarkeit wissen. Der Doktor-Ingenieur sagte, dass der Zulieferer europaweit schon Ladesysteme im öffentlichen Raum realisiert habe, zuletzt in der Slowakei. Und natürlich habe dieser großes Interesse am Gelingen und an der Haltbarkeit des Projekts in Bad Staffelstein. Zumal es nur wenig Verschleißteile gebe.

„Und was ist, wenn bis Ende der Projektphase nicht alles passt und kein induktives Ladesystem läuft? Müssen wir dann Gelder zurückzahlen?“, wollte Winfried Ernst (FW) wissen. Da man nach bestem Wissen und Gewissen arbeite, so Professor Schmülling, gehe er nicht davon aus. Wissenschaftliche Erkenntnisse gebe es so oder so. Gegebenenfalls könne man auch eine Verlängerung beantragen.

Im Stadtrat kurz notiert

• Die CSU-Fraktion hatte gemeinsam mit den Jungen Bürgern in einer der vergangenen Sitzungen ein Ratsbegehren zum Thema Nordost-Spange initiiert. Nun aber gibt es Neues, was Jürgen Hagel (CSU) veranlasste, das Ratsbegehren vorläufig auf Eis zu legen: Solange Bürgermeister Mario Schönwald richtungsweisende Gespräche mit dem Staatlichen Bauamt führe, wolle man abwarten und dann die neuen Sachverhalte bewerten. Ein Ratsbegehren ist normalerweise binnen drei Monate umzusetzen.

• Wie viele Kinderbetreuungsplätze benötigt die Stadt Bad Staffelstein? Das wurde heuer schon einmal im Stadtrat beraten. Nicht zuletzt aufgrund der Flüchtlingskrise musste der Stadtrat in der Dezember-Sitzung erneut nachjustieren, denn im Bereich der Krippenplätze (null bis drei Jahre) gibt es erhöhten Bedarf. Folgende Zahlen wurden nun festgelegt: Kindergartenplätze 319,

Kinderkrippenplätze 176 (statt 164), Hortplätze 301 und Kindertagespflegeplätze 10.

• Der Bauausschuss hatte eine Bauvoranfrage von Marco Rödiger zum Neubau einer Hackschnitzelanlage mit Bunker an den Stadtrat delegiert. Dieser beabsichtigt, damit sein Hotel-Restaurant mit Wärme zu versorgen. Angedacht ist von ihm allerdings ein städtisches Grundstück im Hain. Es entsponn sich eine kontroverse Diskussion: Zunächst, ob man nicht nichtöffentlich beraten sollte (wegen des Grundstücks und etwaiger Bedingungen), dann über die Frage, ob nicht erst die Grundstücksfrage geklärt werden müsste (vor Abstimmung über die Bauvoranfrage) und ob es Alternativplangungen gebe. Mit einem einstimmigen Ja zur Voranfrage kann der Hotelier nun in die Detailplanungen gehen.

• Vertagt in die Januarsitzung wurde ein Antrag von Monika Hohlmeier (CSU). Sie würde sich gerne per Internetschalte an Sitzungen beteiligen. Bürgermeister Schönwald aber möchte zunächst noch abklären, welche technischen Herausforderungen das mit sich bringt – und vor allem, was das kostet. Winfried Ernst (FW) sagte, dass die Europaabgeordnete schon vor ihrer WAhl in den Stadtrat gewusst habe, dass sie oft nicht teilnehmen könne, weil sie jobbedingt in Brüssel sein müsse. Ihrem Amt sei es geschuldet, dass sie zu 80 Prozent oder mehr nicht da sei (wie auch an diesem Sitzungstag). Er machte deutlich, dass er nicht unbedingt dafür sei, nur für eine einzelne Person diese Hybrid-Lösung anzubieten.

Reinhard Leutner gewürdigt

Am Sonntag ist Altlandrat Reinhard Leutner im Alter von 80 Jahren verstorben. Der Kommunalpolitiker hat wie kaum ein anderer den Landkreis Lichtenfels geprägt.Archivfoto: Markus Drossel Foto: Markus Drossel
Die Stadtratssitzung hatte mit einer Schweigeminute für den kürzlich verstorbenen Altlandrat, Altbürgermeister und Ehrenbürger Reinhard Leutner begonnen. „Wir verlieren einen Visionär, einen sehr guten Politiker, einen hochgeschätzten Menschen“, brachte Bürgermeister Mario Schönwald seiner Trauer zum Ausdruck. „Dass die Stadt da steht, wo sie steht, hat sie maßgeblich ihm zu verdanken.“
 

Standpunkt: Im Fokus der Forschung

Standpunkt: Im Fokus der Forschung
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Autonome Busse, die dank Elektroantrieb geräuschlos und ohne Person am Steuer zwischen Obermain-Therme beziehungsweise Bahnhof und Innenstadt hin und her pendeln, von vor Ort regenerativ erzeugten Strom betrieben werden und sich während der Fahrt selbst aufladen: Es mutet zweifelsohne etwas futuristisch an, das Projekt MILAS. Für die Stadt wird es, dank 100-prozentiger Förderung, voraussichtlich keine Kosten mit sich bringen. Stattdessen erhält die Kur- und Urlauberstadt „für lau“ ein Busshuttlesystem, darf nach Ende der Projektphase Infrastruktur und Busse behalten. Forschende und Unternehmen aus ganz Europa werden 2023/24 neugierig nach Bad Staffelstein blicken und gespannt die Ergebnisse analysieren: Es ist ein hoch spannendes Forschungsprojekt, das es in dieser Form in Europa noch nicht gegeben hat. Klar, es könnte Startschwierigkeiten geben oder unvorhersehbare Herausforderungen, die im laugenden Prozess angegangen werden müssen. Doch läuft alles einigermaßen nach Plan, wird MILAS ein großer Gewinn für alle Beteiligten. Für die Stadt Bad Staffelstein dürfte MILAS, bei aller verständlicher Skepsis, weniger Wagnis als eher Glücksgriff sein. Markus Drossel

Von Markus Drossel

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