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BAD STAFFELSTEIN

Die Welt der Unwahrheiten im Brückentheater Bad Staffelstein

Die Welt der Unwahrheiten im Brückentheater Bad Staffelstein
Adam und Eva im Paradies, mit Puppen nachgespielt. Hat Eva gelogen oder war es die Schlange? Foto: Werner Diefenthal

Im ausverkauften Brückentheater wurde am Donnerstag gelogen, bis sich die Balken bogen. Angefangen von den kleinen Flunkereien im Alltag bis hin zu den Lügen, welche die Weltgeschichte beeinflussten, entführten Silvia Ferstl und Christoph Ackermann die Zuschauerinnen und Zuschauer bei einem Streifzug quer durch die Geschichte in die Welt der Unwahrheiten. Sie ließen sich auch vom hereinbrechenden Gewitter nicht aus der Ruhe bringen.

„Lügen haben lange Beine“, so der Titel des Stückes. Doch was ist eine Lüge? Wozu dient sie? Und woher kommt sie? All diese Fragen stellten die beiden Akteure in den folgenden knapp 90 Minuten. Und dabei kam so manches Beachtliche zum Vorschein.

Lügen, die man gerne glaubt

Es begann mit einem Lied. „Little lies“ von Fleetwood Mac, ein Song über die kleinen Lügen, die man zu gerne glaubt. Und der Frage, ob die Welt am Ende nicht einfach nur belogen werden will. Ist Lüge nicht sogar eine Art Medizin? Oder schaffen wir uns mit Lügen unsere kleinen Wohlfühl-Wahrheitsblasen?

Mit viel Spielfreude und Witz forderten die Akteure sich immer wieder gegenseitig hinaus. So stellte Christoph Ackermann provokant fest, dass die Wissenschaft bewiesen habe, dass Frauen im Durchschnitt zweimal am Tag lügen würden, um dann kleinlaut zuzugeben, dass Männer dies dreimal tun.

War es Eva – oder die Schlange?

Die Welt der Unwahrheiten im Brückentheater Bad Staffelstein
Trotzten dem Gewitter: Ausverkauft im Brückentheater Foto: Werner Diefenthal

Aber woher stammt die Lüge? War es die Frau, wie Ackermann behauptete, als sie im Paradies Adam zum Naschen der Früchte vom verbotenen Baum verführte? Oder war es, wie Silvia Ferstl feststellte, die Schlange, die mit falschen Versprechungen lockte? Im Alphabet der Lüge versuchten sich die beiden gegenseitig zu übertrumpfen. „Alternative Fakten“, „Lügenpresse“, „Propaganda“ und „Statistiken“ sind einige der Beispiele. Wobei man feststellte, die wohl größte und am weitesten verbreitete Lüge heißt „Ja, Schatz“.

Weiter ging es mit einem Streifzug durch die Geschichte, von Pippin über Galileo, Münchhausen, den Heiligen Vater und Napoleon bis hin zu Putin. Wer war der größte Lügner? „Mienchhausen! Kannst noch viel lernen von mir“, ließen die beiden Putin sagen. Auch die Religion wurde aufs Korn genommen.

Echte und falsche Schönheit

Schöne Lügen, auch die gibt es. Oder wie Ackermann zur Freude des Publikums feststellte: „Wenn der Hahn vortäuscht, der Potenteste zu sein, nur weil er einen bunten Schwanz hat.“ Im Streitgespräch kam dann die Frage auf, wie oft denn wohl bei Schönheit gelogen wird. Ist ein formender BH schon eine Lüge? Ist eine geschminkte Frau oder ein Mann mit gefärbten Haaren nicht eine Lüge in Person?

Ackermann trieb diese Frage auf die Spitze: Er sang von seiner neuen Freundin, die visuell sehr anziehend sei. Schnell stellte sich heraus, dass dies keine Natürlichkeit war, sondern das Werk ihres Vaters – eines Schönheitschirurgen, der alle neuen Trends an seiner Tochter ausprobierte.

Was die Wähler hören wollen

Soziale Netzwerke, die Brutstätte für Verschwörungstheorien und die Lügen, die einem die digitalen Postfächer überquellen lassen, waren genauso Thema wie die Bewertungen für Produkte auf den diversen Seiten.

War es bis dato eher heiter, so wurde es beim Thema Politik eher nachdenklich. Wo beginnt dort die Lüge, wo hört sie auf? Was sind Wahlversprechen? Sind sie am Ende nicht das, was die Wähler hören möchten, um sich Wohlfühl-Wahrheitsblasen zu schaffen? Hier blieb so manchem das Lachen im Hals stecken, als es um die Frage ging, ob Diktatoren lügen oder ob es eher nur Polemik ist, die sie von sich geben. Gespickt mit echten Zitaten wie „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ zeigten sie, wie oft Politiker offen die Unwahrheit von sich geben, ohne dass es für sie Konsequenzen hat.

Die Welt der Unwahrheiten im Brückentheater Bad Staffelstein
Im Netz der Lügen gefangen. Foto: Werner Diefenthal

Und so strickten Ackermann und Ferstl ein Netz auf der Bühne, das aus Lügen und deren einzelnen Untergruppen bestand, in dem sie sich hoffnungslos zu verheddern schienen.

Ohne Flunkereien geht's nicht

Dem Publikum jedenfalls gefielen die Ausführungen und Geschichten, wie man am immer wieder aufbrandenden Spontanapplaus deutlich merken konnte. Vor allem, als es um die zwischenmenschlichen Beziehungen ging. Als „Ehepaar“ wollten sie einander nur die Wahrheit sagen, doch stellten sie fest, dass diese oft verletzend und es gar nicht so einfach ist, ohne kleine Flunkereien auszukommen. Pokern ohne Bluffen, also Lügen, geht nicht.

„Lüg mich an, weil ich die Wahrheit nicht ertragen kann“ war das Fazit dieses Zwiegesprächs. Wer sich liebt, der lügt. Und am Ende war es die Erkenntnis, die man mit nach Hause nehmen konnte. Zur Menschlichkeit gehört neben Glauben, Hoffnung und Liebe eben auch die Lüge.

Von Werner Diefenthal

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