Piano – so lautet das Programm der „Söhne Mannheims“ im Kurpark. Und das Piano steht auch da, neben den fünf Barhockern, schwarz glänzend und prächtig gestimmt. Gut zwei Stunden lang tauchen über 650 Besucher auf der Seebühne in Lieder ein, die nach Biografien klingen.
Ein Paar liegt verträumt im Gras, und Florian Sitzmann, „Söhne“-Urgestein, phrasiert am Flügel bei Sonnenschein und leicht auffrischendem Abendwind „Ich will zurück zu dir“ aus. Nur eine Szene, die sich beobachten lässt, und nur einer der Klassiker, die das Künstlerkollektiv sing.
Die Corona-Situation brachte es mit sich, dass das Kollektiv personell verknappt als „Söhne Mannheims Piano“ auftritt, als Kombination aus Sitzmanns Klavierspiel, Rap, mehrstimmigem Gesang und gelegentlichem personellem Durchwechseln. Mal zu dritt, mal zu fünft singen die „Söhne“ akkurat mit Stimmen, die vom Leben behaucht wurden.
Seit 27 Jahren gibt es das Phänomen „Söhne Mannheims“, und einer, der dem Phänomen vor Jahren beitrat, ist Karim Amun. In kurzen Hosen sitzt er auf seinem Hocker, blickt ins Publikum und gesteht rührend gerührt: „Es gibt Tage wie heute, da kann es einem das Pipi in die Augen ziehen.“ Dann folgt ein Song aus der Feder seines drei Hocker entfernt zart und rau singenden Sitznachbarn Giuseppe Porrello.

Am westlichen Horizont setzt Abendglühen ein. Sarah und Lina sind Schwestern, und addiert man ihre beiden Lebensalter, kommt man auf 12. Sie sitzen auf der Wiese, lauschen der Musik, strecken ihre Arme in den Himmel und erleben unbeschwerte Wiesenzeit.
Viele weite Anreisen
Ihre Eltern drehen sich dann und wann nach ihnen um und winken. Papa Alexander Hainzinger ist gar nicht von hier, er ist aus Riedering. Das liegt im Landkreis Rosenheim. „Ich bin ein Franken-Fan“, gesteht er.
Sein Auto dürfte zu den auffällig vielen zählen, die keine heimatlichen Kennzeichen haben. Es sind Würzburger im Publikum, Schweinfurter, Nürnberger. Coburger sowieso. Und wie man so im Halbrund um die Bühne sitzt, steigt es auf, dieses sommerabendliche Konzertgefühl mit der Brise Wind und der Prise Sorglosigkeit.
Auch die härtere Gangart
Doch die „Söhne“ können auch anders. Sind die meisten ihrer Lieder von melancholischer Besinnlichkeit, zu denen neben den Texten auch A-Moll einen Zugang bietet, gibt es doch auch die härtere Gangart mit Songs, die resignativ klingen, und mit ernüchternden Botschaften wie „Der wahre Glaube ist die Gier“. Unterlegt mit Rap und Kurznachrichten von der Wall Street.

Einmal an diesem Abend bleiben alle Augen nur auf Florian Sitzmann gerichtet. Der Mann am Klavier, der schon in dem in den 1990-er Jahren entstandenen Video zu „Und wenn ein Lied“ gemeinsam mit Xavier Naidoo einen Flügel durch die Flure eines Krankenhauses schob, erzählt von den Anfängen des Künstlerkollektivs und von seiner Freude, heute noch dabei zu sein.
Und Xavier Naidoo?
Man hörte ihm gerne zu, eingedenk alter Zeiten und eigener Jugend. Die Frage, ob Xavier Naidoo nicht auch hätte hier sein müssen, kommt dabei nie so recht auf.
Am Ende gibt es großen Applaus für das Phänomen „Söhne Mannheims“. Die weiten Anreisen mancher Konzertbesucher dürften sich gelohnt haben.

Von Markus Häggberg