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BAD STAFFELSTEIN

Demenz-Parcours in der Schön Klinik Bad Staffelstein

Eine Station des Demenzparcours: Aufgabe bei Ines Peters war es, Mond, Sonne und Sterne nachzuzeichnen. Beim Selbstversuch hat es die Autorin nicht geschafft. Foto: Monika Schütz

Einen ungewöhnlichen Weg ging die Schön Klinik Bad Staffelstein zum Auftakt der Bayerischen Demenzwoche (bis 24. September): Ein „Aktionstag Demenz“ verdeutlichte einfühlsam, aber hautnah, wie sich eine an Demenz erkrankte Person fühlen könnte, wie verloren sie sich in Alltagssituationen wohl vorkommt und wie belastend es ist, selbst die einfachsten Dinge nicht mehr allein machen zu können.

„Wir sehen unseren Aktionstag nicht diagnostisch“, erklärte die Pflegewissenschaftlerin und Gerontologin Yvonne Reuß. „Wir versuchen, die Selbstwahrnehmung, das Selbstempfinden der Demenzpatienten darzustellen.“ Für diesen Donnerstag hatte das Experten-Team einen Parcours im Eingangsbereich der Klinik aufgebaut. Parallel dazu fanden Fachvorträge über die Historie, mögliche Ursachen und Symptome sowie über vielversprechende Ansätze in der Behandlung und Vorbeugung von Demenzerkrankungen statt.

Aufgabe im Demenz-Parcours war es, Mond, Sonne und Sterne nachzeichnen. Beim Selbstversuch hat es die Autorin nicht geschafft. Foto: Monika Schütz

Zeit, um sich den Parcours näher anzusehen. An jeder der zehn Stationen steht eine freundliche Klinikmitarbeiterin bereit und erklärt die Aufgabe. „Zeichnen Sie Mond, Sonne und Sterne, probieren Sie es“, ruft eine von ihnen mir zu und winkt mich an ihren Tisch. Ich setzte mich. In einen halb abgedeckten Kasten soll ich hineinblicken, ein Spiegel ersetzt die Rückwand. Das ist es, was die Aufgabe fast unlösbar macht. Der Spiegel verzerrt alles: Richtung, Größe und Perspektive – so wie es wohl ein an Demenz Erkrankter wahrnehmen könnte.

Verzerrte Perspektive

Ich ergreife den Stift und starte. Einen Kreis als „Mond“ zu malen, sollte ich doch locker hinkriegen. Es gelingt halbwegs: mein Hirn hat verstanden, dass es die Spiegelschrift „entspiegeln“ muss. Ein Demenz-Patient kann das nicht mehr. Mein Mond ist ziemlich rund, allerdings ist sein Gesicht etwas „verschoben“. Nun soll ich eine Sonne malen. Der Kreis funktioniert – mit den Strahlen hapert es aber gewaltig: Die verrutschen in alle Richtungen. Keine Chance hat mein Hirn dann bei den Sternen. Es entsteht ein unförmiges Gekritzel, und ich gebe auf.

Station Mittagessen: Mit dem Besteck zu arbeiten ist bei den Beeinträchtigungen durch die Demenz unmöglich. Foto: Monika Schütz

An der nächsten Station wird es ernster: Ich verzweifle fast bei der Aufgabe, mit Messer und Gabel eine bunte Papierkugel auf einen der Teller zu bugsieren. Die Aufgabe heißt „Mittagessen“. Irgendwann schiebe ich mit dem Messer die gelbe Kugel, die einen Kloß darstellen soll, zu meinem Teller hin und lege sie darauf. Ich sehe die Mitarbeiterin fragend an. „Sie haben gerade den Kloß quer über die Tischdecke geschoben und dann Ihr Essen mit den Fingern auf den Teller gelegt“, erklärt sie mir. Ups.

So wird man Geisterfahrer

„Erleben und empfinden“ – genau das soll an den Stationen verdeutlicht werden. „Wechseln Sie am Demenz-Parcours in die Perspektive eines an Demenz erkrankten Menschen“, deutet die stellvertretende Pflegedienstleitung Ines Peters auf die nächste Station. Nun soll ich mit einem Spielzeugauto eine vorgezeichnete Route von A nach B fahren. Aus der „Garage“ komme ich noch fehlerfrei raus, doch schon bei der ersten Kreuzung „fahre“ ich in falscher Fahrtrichtung. So schnell wird man zum Geisterfahrer.

Mit Karten den Tisch zum Frühstück decken, dazu sind bis zu 40 Schritte nötig. Allein an der richtigen Reihenfolge scheitert ein Demenz-Patient. Foto: Monika Schütz

Wenig Erfolg habe ich auch, einen Einkaufszettel richtig abzuschreiben und Zahlen zu schreiben. Wäre ich jetzt eine Demenzpatientin und Frau Peters eine ungeduldige Angehörige, gäbe es spätestens jetzt eine brenzlige Situation.

Die Angehörige würde verständnislos, genervt und bevormundend reagieren oder laut werden. Und die Patientin würde sich enttäuscht zurückziehen, aggressiv werden oder wäre verängstigt.

„Führen Sie das Gespräch auf Augenhöhe. Seien Sie freundlich und zugewandt.“
Tipps der Selbsthilfegruppe Demenz

Hier setzen Behandlungsmethoden an, die Erkrankten und Angehörigen gleichermaßen helfen können. Die „Selbsthilfegruppe Demenz der Deutschen Alzheimer Gesellschaft“ hat dazu elf Tipps zusammengestellt: „Führen Sie das Gespräch auf Augenhöhe. Seien Sie freundlich und zugewandt. Verwenden Sie einfache und kurze Sätze. Sprechen Sie langsam und deutlich. Unterstreichen Sie Ihre Worte durch Gesten. Achten Sie auf Gefühle. Lassen Sie Zeit zum Antworten. Hören Sie aufmerksam zu und achten Sie auf die Körpersprache des Kranken. Sagen oder fragen Sie immer nur eine Sache auf einmal. Stellen Sie keine ,Warum‘- oder ,Wann‘- Fragen. Zeigen Sie Anerkennung für das, was gelingt.“

Ergänzend helfe auch ein Demenzkoffer: „Er wird mit persönlichen Dingen aus dem Leben des Erkrankten gepackt“, erklärte Yvonne Reuß. Das könne ein Kartenspiel sein, ein Rezeptbuch, ein Fläschchen Tosca-Parfüm, eine Postkarte oder ein Souvenir vom ersten Ausflug, oder andere Dinge, die im Leben des Patienten eine positive Rolle gespielt hätten.

Der Demenzkoffer von Yvonne Reuß enthält positive Erinnerungen des einzelnen Demenzpatienten. Dazu muss man natürlich seine Lebensgeschichte kennen. Foto: Monika Schütz

Zweck und Ziel des Koffers: ins Gespräch kommen, Kommunikation fördern, den Patienten vor der Vereinsamung schützen. Und: Verständnis lernen.

Der Krankheit könne man möglicherweise durch gesunde Lebensweise vorbeugen. Auch das Vermeiden von Risikofaktoren (Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht, Rauchen, fettes Essen) und eine Behandlung von Schwerhörigkeit, Herzrhythmusstörungen, Vitaminmangel und Hormonstörungen gelte als hilfreich, informiert die Demenz-Selbsthilfegruppe.

Als Pflegende an sich denken

„Heilen kann man Demenz nicht, sie führt innerhalb von sechs Jahren plus-minus zum Tod“ und „Der Patient wird vom Subjekt zum Objekt“, referiert Pflegewissenschaftlerin Yvonne Reuß den Stand der Forschung. „Freitag einkaufen“, oder „Hol das Dings“ – durch solche Sprachveränderungen würden Demenzpatienten ihren Familien anfangs auffallen, dann kämen Schwierigkeiten beim Orientieren dazu, Störungen des Tag- und Nachtempfindens, Verlust von Anstand und Umgangsformen, auffälliges Verhalten. „Denken Sie an sich. Machen Sie selbst Pausen“, riet Yvonne Reuß den Angehörigen und Pflegekräften. Nur wenn es einem selbst gut gehe, könne man auch für den Anderen sorgen.

Zahl der Betroffenen steigt

In Deutschland waren im Jahr 2021 rund 1,8 Millionen Menschen über 40 Jahren an Demenz erkrankt. Laut Prognosen der WHO wird die Zahl auf zwei Millionen im Jahr 2030 ansteigen, auf 2,4 Millionen im Jahr 2040 und auf 2,8 Millionen im Jahr 2050, nannte Referentin Christine Zander die neuesten Zahlen.

Von Monika Schütz

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