Letztlich zog Zweiter Bürgermeister Holger Then die Notbremse und beantragte die Vertagung, denn von einem einmütigen Signal war der Stadtrat weit entfernt: Der Grundsatzbeschluss zur Gründung eines gemeinsamen Kommunalunternehmens Regionalwerk Obermain wurde, nach kontroverser Diskussion, von der Tagesordnung genommen. Der Grund: Skepsis, Befürchtungen und keine belastbaren Zahlen.
Es war nicht das erste Mal, das über den angedachten Verbund aller elf Städte und Gemeinde plus Landkreis beraten wurde. Es gab bereits mehrere Bürgermeisterdienstbesprechungen, Workshops und Arbeitskreistreffen. Die Vision ist, mit dem Regionalwerk Obermain gemeinsam die Herausforderungen der Energiekrise zu meistern und die kommunale Aufgabe der Energieversorgung sicherzustellen, indem der Ausbau der Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien vorangetrieben wird.
Etliche Kommunen im Landkreis hatten in den vergangenen Tagen und Wochen schon darüber beraten und grünes Licht gegeben. Doch das Bad Staffelsteiner Gremium hatte durchaus noch Diskussionbedarf – und sah ein hohes Informationsdefizit.
Mario Schönwald: eine Chance
Dabei hatte Bürgermeister Mario Schönwald (Freie Wähler) in seinen einleitenden Worten noch intensiv für das Kommunalunternehmen geworben. Sowieso seien die Landkreise angehalten, 1,8 Prozent ihrer Fläche als Windvorranggebiete auszuweisen und insgesamt eine Flächensicherung für regenerative Energien vorzunehmen. „Deshalb hat sich der Landkreis mit seinen Städten und Gemeinden gemeinsam auf den Weg gemacht, um sich im Regionalwerk gemeinsam des Themas anzunehmen“, so der Rathaus-Chef.

Der Businessplan dafür sei bereits „in der Pipeline“. „Heute geht es um den Grundsatzbeschluss, ob wir bei der Gründung dabei sein wollen.“
Aber genau dieser Geschäftsplan war es, an dem sich die Diskussion entzündete. Schlicht, weil es ihn noch nicht gibt. Skeptisch zeigte sich Christian Ziegler (Junge Bürger), der hauptberuflich in Leitungsfunktion bei einem Energiekonzern tätig ist. „Ich bin nicht grundsätzlich gegen die Gründung des Regionalwerks, doch der Businessplan steht noch nicht. Wir brauchen mehr Zahlen!“
Zumal der Einstieg in das Regionalwerk für Bad Staffelstein Finanzmittel in Höhe von rund einer Million Euro bedeuten würde , verteilt auf die nächsten fünf Jahre. Nach dem Landkreis und der Kreisstadt ist das der dritthöchste Eigenanteil, denn er berechnet sich nach Einwohnern (10.522) und Fläche in Hektar (9939,74). „Mir fehlt der Glaube, dass alleine mit der Projektentwicklung so viel Geld verdient werden kann, dass davon der Mitarbeiter des Regionalwerks bezahlt wird.“ Und das würde dann weitere Zahlungen bedeuten.
Holger Then: leere Firmenhülle
„Wir investieren hier relativ viel Geld in eine leere Firmenhülle, die sich ihre Kompetenz und ihr Know-how noch aufbauen muss“, gab sich auch Zweiter Bürgermeister und Banker Holger Then (JB) vorsichtig. Dagegen hätte die Privatwirtschaft dieses Know-know schon längst – Then zielte auf IBC Solar ab. Mit Blick auf den Status Quo beim Regionalwerk sagte er: „Mein eigenes Geld würde ich nicht ein Unternehmen investieren, bei dem ich nicht weiß, was herauskommt.“ Auch er bemängelte den fehlenden Geschäftsplan. „Und wir müssen das Regionalwerk jährlich controllen.“
Erwin Richter: Fakten fehlen
„Irgendwie ist es, als wenn man mit dem Zug in einen dunklen Tunnel fährt und niemand weiß, was kommt“, meinte Winfried Ernst (FW). Mit Blick auf den Mangel an belastbaren Zahlen fügte er an: „Wir gehen hier den zweiten Schritt vor dem ersten.“ Für eine bloße Idee eine Million Euro zu investieren, hielt er für fragwürdig. „Als Jurist rate ich immer: Unterschreibe keinen Vertrag, den du nicht gelesen hast“, bemängelte auch Erwin Richter (FW) die Faktenlage. „Wir kennen die Bedingungen ja nicht.“
„Ich finde es gut, dass die Wertschöpfung vor Ort bleiben soll“, fand Sandra Nossek (Grüne/SBUN). Ihr Fraktions-Chef Werner Freitag sprach zwar von einer „Reise ins Ungewisse“, doch die Richtung sei vorgegeben – und für ihn zähle, dass die Region davon profitiere.
„Wir wollen doch alle in Richtung erneuerbare Energien gehen“, argumentierte Bürgermeister Schönwald für das Regionalwerk. In der Stadtverwaltung gebe es diese Kompetenz nicht. „Hier haben wir die Chance, dass es jemand für uns macht.“
Hans-Josef Stich (CSU) sah das ähnlich: „Wir sollten uns auf den Weg machen. Wenn wir nicht den Mut haben, können wir es gleich vergessen. Wir sollten hier keine Angst haben, dass wir vielleicht Geld durch den Schornstein blasen.“
Hans-Josef Stich: Mut haben
CSU-Fraktionsvorsitzender Jürgen Hagel sprang ihm und dem Bürgermeister bei: „Das Konzept, das uns vorgestellt wurde, ist schlüssig.“ Er forderte von seinen Kolleginnen und Kollegen ein ebenso deutliches Signal wie schon aus vielen anderen Kommunen. „Natürlich reden wir hier über Steuergelder, doch das gilt auch für die anderen Kommunen. Wir sollten die Chance auf jeden Fall nutzen, auch wenn sie ein Risiko birgt.“
Letztlich aber stimmten 13 Rätinnen und Räte für das Vertagen, zehn dagegen: Da der Businessplan bald vorliegen soll, soll in der Juli-Sitzung erneut beraten werden.
Standpunkt: Mutig voran

Das Regionalwerk Obermain ist eine große Chance für die Städte und Gemeinden im Landkreis. Gemeinsam können sie sich ein Stück unabhängiger von den Energiegroßkonzernen machen und damit ein Stück Zukunftssicherung betreiben. Außer Frage steht, dass regenerativen Energien die Zukunft gehört, dass Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen ein Auslaufmodell ist – und auch, dass es gut war, dass Deutschland aus der Kernenergie ausgestiegen ist. Doch nun gilt es, mutig voranzugehen. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt – und das fängt im Kleinen an. Die Kommunen im Landkreis hätten bei Gründung des Regionalwerks das Heft in der Hand, könnten nicht nur bei den Flächen für Energieerzeugungsanlagen mitreden, sondern auch dafür sorgen, dass die Region von der Energiewende profitiert, wenn beispielsweise über das Regionalwerk Öko-Strom erzeugt wird. Stichwort Wertschöpfung vor Ort. Denn eines ist sicher: Die nächste (Energie-)Krise kommt bestimmt, vielleicht verbunden mit der nächsten Preisexplosion. Da ist es gut, sich etwas abgenabelt zu haben und so Preisspitzen besser abfedern zu können. Zaudern hilft da nicht wirklich, umgehendes Handeln ist gefragt. Gelegenheiten wie diese bieten sich nicht oft. Es wäre fatal, diese verstreichen zu lassen. Markus Drossel
Von Markus Drossel