Schwalben fliegen umher. Die Kühe fressen genüsslich ihr Futter. Plötzlich wuselt etwas Rundes über den Stallboden. Es ist der Stallroboter von Vollerwerbslandwirt Rudi Steuer, der seinen soeben getätigten Satz „Kühe machen Mühe“ in ein anderes Licht rückt.
„Früher musste ich das Futter mit der Mistgabel in den Trog geben, heute schiebt es der vollautomatisierte Futterschieber mit seinen Drehbewegungen dorthin“, klärt der Bauer aus dem Burgkunstadter Ortsteil Hainzendorf die 21 Zuhörerinnen und Zuhörer auf. Die Künstliche Intelligenz hat Einzug gehalten auf seinem Hof, auf dem seit 1648 Landwirtschaft betrieben wird.
Die Geschichte des Dorfes
Die Stadt Burgkunstadt hat die Bürgerinnen und Bürger zu einem Betriebsrundgang eingeladen. In seinem ersten Teil wird er zu einer Reise in die Vergangenheit, in der nicht nur die Geschichte des Betriebes, sondern auch die des Dorfes im Mittelpunkt steht. Vorbei an Gärten, in denen es blüht und grünt, laufen Alt und Jung zu einem Weiher am Rand des Weilers, der ein Geheimnis preisgibt.
Steuer zeigt auf eine Anhöhe auf der anderen Seite des Gewässers, die sich heute auf einem Privatanwesen befindet. Der Referent zitiert immer wieder aus den Nachforschungen des Burgkunstadter Heimatforschers Johann Baptist Müller.

Seine Suche in den Archiven hatte ergeben, dass hier einst auf einem 40 Meter langen und vier Meter hohen Hügel ein Turm stand, der vollständig von einem Wassergraben umgeben war. Über eine Brücke sei man, so Steuer, zu ihm gelangt.
Heute die Friedhofsmauer
Erbaut worden sei die Anlage, die vom Bayerischen Denkmalrat als besonders schützenwert eingestuft wird, vor rund 1000 Jahren. „Sie diente der Sicherheit, aber auch der Erhebung von Zöllen“, berichtet der Redner. Steuer verrät, was aus dem Turm geworden ist. Man hatte ihn abgetragen und aus seinen Steinen ein Häuschen errichtet. Das Ende vom Lied: Das Haus wurde abgerissen und die Steine zum Bau der Kirchleiner Friedhofsmauer verwendet.
Der Kollege Roboter übernimmt
Szenenwechsel. Das schmucke 1809 erbaute Fachwerkhaus begrüßt die Besucher. Auf dem Bauernhof lebten nach Auskunft Steuers seit 1648 acht Generationen der Familie Gahn. 1917 ging der Name Gahn durch Heirat in Steuer über, von denen inzwischen auch schon die vierte Generation auf dem Hof lebt.

Insgesamt 70 Milchkühe nennt Steuer sein Eigen. Früher wurden die Tiere noch von Hand gemolken, heute übernimmt das Kollege Roboter. Hautnah verfolgen die Besucher einen maschinellen Melkvorgang mit. Kraftfutter lockt die Kühe zum Melkroboter. Dieser sucht sich die Zitze, steckt das Melkzeug an und beginnt zu melken. Nebenan steht der Milchtank, der 4000 Liter fasst. Per Schlauch wird die kostbare Flüssigkeit in das Milchauto gesaugt.
Steuer möchte die maschinelle Entlastung nicht mehr missen. „Ich bin heilfroh, den Melkroboter zu haben. Früher verbrachte ich am Morgen und am Abend zwei Stunden mit Melken. Der Druck, bis zum Eintreffen des Milchautos fertig sein zu müssen, wurde mir genommen.“
Der Tisch ist reicht gedeckt – nicht nur mit Gaumenfreuden für die Besucher, sondern auch mit Feldfrüchten, die auf 200 Hektar Land gedeihen. Fein säuberlich aufgereiht liegen auf einem Tisch Weizen-, Gersten- und Mohnkörner, Sonnenblumenkerne, Mais und Hafer.

Mit ihrem Goldcaddy fährt Tochter Anna Steuer den Autor dieser Zeilen zu einem drei Hektar großen Mohnfeld. Pink, wohin das Auge reicht. „Hier werden fünf bis sechs Tonnen Backmohn im Jahr produziert“, sagt die Expertin.
Die Steuers – Rudi, seine Ehefrau Barbara, Tochter Anna und Schwiegersohn Johannes – sind nicht nur Land-, sondern auch Energiewirte. Sie betreiben auf ihrem Anwesen eine Biogasanlage. „Mit unserer Anlage erzeugen wir täglich 4500 Kilowattstunden Strom.

Damit übertreffen wir den Jahresverbrauch eines Zwei-Personenhaushaltes, der zwischen zwei- und dreitausend Kilowattstunden liegt“, sagt Rudi Steuer.
Land- und Energiewirte
Das kleine Kraftwerk produziert aber auch Wärme und Warmwasser für sechs Wohnhäuser in Kirchlein und Hainzendorf sowie die kompletten Stallungen und Betriebsgebäude der Familie Steuer. Strom wird auch von mehreren Photovoltaikanlagen erzeugt. Über einen Pufferspeicher deckt die Familie rund die Hälfte ihres Stromverbrauchs.
Berührungsängste mit moderner Technik kennt man auf dem Hof der Familie Steuer nicht. Darauf angesprochen, ob sie sich den Einsatz von Ernterobotern vorstellen könnte, meint Anna Steuer zunächst: „Ich denke, dass für unsere kleinen Verhältnisse sich solche Maschinen derzeit noch nicht rentieren“, um nach kurzem Überlegen hinzuzufügen: „Aber wer weiß, was die Zeit mit sich bringt.“
Von Stephan Stöckel