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GÄRTENROTH

Runder Tisch zur Flüchtlingsunterbringung in Gärtenroth

Runder Tisch zur Flüchtlingsunterbringung in Gärtenroth
„Es braucht ein Miteinander in der Integration“, sagte Angelika Geyer von der evangelischen Kirchengemeinde Burgkunstadt. Foto: Stephan Stöckel

Im Hotel Rot im Burgkunstadter Ortsteil Gärtenroth sollen 39 Flüchtlinge untergebracht werden. Beim Runden Tisch im Sportheim des TSV Gärtenroth, zu dem die Stadt auch die Bürger eingeladen hat, sahen diese keineswegs rot. Während es andernorts zu tumultartigen Auseinandersetzungen gekommen war, machten diese sachlich aber bestimmt darauf aufmerksam, dass sie sich vor vollendete Tatsachen gestellt und überfordert fühlten.

Steffi Ludwig versuchte den Vertretern aus Kommunalpolitik, Stadt- und Kreisverwaltung mit einem Vergleich die Dimension der Problematik zu verdeutlichen: „Die 39 Asylsuchenden, die bei uns untergebracht werden sollen, entsprechen rund 20 Prozent der Dorfbevölkerung. Würde man bei der Stadt Lichtenfels mit ihren rund 20000 Einwohnern ebenfalls eine 20-Prozent-Quote anwenden, käme man auf 4000 Asylbewerber.“

Keine Einkaufsmöglichkeiten, keine medizinische Versorgung, keine Sprachkurse vor Ort, wenig Treffpunkte und Freizeitangebote - die Einwohner des 206-Seelen-Dorfes betonten an diesem Abend immer wieder, dass ihr Ort nicht geeignet sei für eine solch große Zahl an Asylsuchenden. In einem offenen Brief der Gärtenrother Bevölkerung an Oberfrankens Regierungspräsidentin Heidrun Piewernetz, den Lichtenfelser Landrat Christian Meißner und Burgkunstadts Bürgermeisterin Christine Frieß war sogar die Befürchtung geäußert worden, dass die extrem schlechte Infrastruktur und die damit einhergehende Langeweile bei den jungen Männern am Ende zu einer explosiven Mischung führe.

Beifall für die Alternativvorschläge

Runder Tisch zur Flüchtlingsunterbringung in Gärtenroth
Der Gärtenrother Ortssprecher Bernd Weich hält 20 Flüchtlinge für noch vertretbar. Foto: Stephan Stöckel

Ludwig schlug vor, das ehemalige Lichtenfelser Krankenhaus, das derzeit leer steht, und das ebenfalls leerstehende Altenheim in Michelau zu Asylbewerberunterkünften umzufunktionieren. Dafür erntete sie spontanen Beifall von den über 100 Zuhörern im fast vollbesetzten Sportheim. Kathrin Bullmann, Juristin am Landratsamt, hielt die Vorschläge aus folgenden Gründen für nicht realisierbar: „Der alte Klinikbau müsste umfangreich saniert werden und das Altenheim gehört uns nicht, sondern der Diakonie.“

Bürgermeisterin Christine Frieß (CSU) brachte Verständnis auf für die Ängste, die die Gärtenrother haben. Zugleich appellierte sie an die Dorfbevölkerung: „Wir müssen den Menschen eine Chance geben.“ Die Flüchtlinge, die in Burgkunstadt untergebracht sind, schilderte sie aus eigener Erfahrung als sympathisch und nett. Das Argument der fehlenden Busanbindung ließ Bullmann nicht gelten. Täglich würden mehrere Linien- oder Rufbuse Gärtenroth anfahren. Beim Gedanken daran, dass Schulkinder gemeinsam mit Flüchtlingen in einem Bus sind, beschlich die Einwohner ein mulmiges Gefühl. „In der Weismainer Asylbewerberunterkunft wohnen über 200 Geflüchtete.

„Man muss den Leuten

eine Chance geben,

sich zu integrieren.“

Turkut Abatay, Eigentümers des Hotels Rot

Mir ist kein Fall bekannt, wo es zu einem Problem in öffentlichen Verkehrsmitteln gekommen wäre“, beruhigte die Integrationslotsin am Landratsamt Lichtenfels, Karin Pfeiffer. Sie betonte auch immer wieder, dass es derzeit nur männliche Flüchtlinge gebe. Familien, wie bei den Geflüchteten aus der Ukraine seien leider keine darunter.

Es mangelt an Transparenz und Informationen

Runder Tisch zur Flüchtlingsunterbringung in Gärtenroth
Angelika Oppel aus Altenkunstadt berichtete von ihrer ehrenamtlichen Arbeit mit Flüchtlingen. „Sie nennen mich liebevoll Mama“, sagte sie. Foto: Stephan Stöckel

Ortssprecher Bernd Weich beklagte die mangelnde Transparenz und fehlende Information seitens der Behörden. „Es gibt die armen Asylanten und die armen Gärtenrother, die es aushalten müssen“, sagte er. „Sie haben Recht. Es braucht ein Miteinander in der Integration“, erwiderte Angelika Geyer, die Ehefrau des Burgkunstadter Pfarrers Heinz Geyer. Angelika Oppel aus Altenkunstadt berichtete von ihrer ehrenamtlichen Arbeit mit Flüchtlingen. „Sie nennen mich liebevoll Mama“, sagte sie.

Im Hotel Rot sind derzeit nach Auskunft Bullmanns sechs Somalier, vier Afghanen und acht Ukrainer untergebracht.

Letztere müssten das Haus wieder verlassen, weil sie unter die Grundsicherung fielen. Das Hotel gehört dem Oberpfälzer Unternehmer Turkut Abatay aus Neunburg vorm Wald, der als Deutschtürke selbst einen Migrationshintergrund hat. „Man müsse den Leuten eine Chance geben, sich zu integrieren“, sagte er. Er betonte, dass ihm an einem guten Miteinander mit der Dorfbevölkerung gelegen sei. Er lud die Gärtenrother ein, das Hotel zu besuchen und schlug vor, einen gemeinsamen Grillabend zu organisieren.

Ein Kompromiss soll ausgehandelt werden

Runder Tisch zur Flüchtlingsunterbringung in Gärtenroth
Dem Oberpfälzer Unternehmer Turkut Abatay aus Neunburg vorm Wald ist an einem guten Miteinander zwischen den Migranten, den Einwohnern und ihm gelegen. Foto: Stephan Stöckel

Auch MdB Emmi Zeulner schaltete sich in die Debatte ein. Ihr Vorschlag: In einem Gespräch mit Landrat Christian Meißner und Ortssprecher Bernd Weich, will sie einen für alle Seiten gangbaren Kompromiss ausloten. Wie könnte dieser aussehen? Weich hat bereits konkrete Vorstellungen: Er sprach sich dafür aus, nicht mehr als zwanzig Migranten unterzubringen. Zudem sollten konkrete Integrationsmaßnahmen benannt und eine runder Tisch ins Leben gerufen werden, an dem Asylbewerber, Vertreter der Kirchen, der örtlichen Vereine und der Kommunalpolitik sitzen. Um das Miteinander zwischen Einheimischen und Neubürgern zu fördern, könnte er sich zum Beispiel einen Arbeitseinsatz am Dorfweiher vorstellen, bei dem angepflanzt und gereinigt werde.

Von Stephan Stöckel

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