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ALTENKUNSTADT

Pfarrer verweigerte Altenkunstadter Kriegerdenkmal den Segen

Pfarrer verweigerte Altenkunstadter Kriegerdenkmal den Segen
Das alte Kriegerdenkmal wurde vor 100 Jahren vor dem Pfarrhaus in Altenkunstadt errichtet. Pfarrer Quinger verweigerte kirchlichen Segen und Glockengeläut. Foto: Repros aus Buch: „Gemeinde Altenkunstadt – Im Wandel der Zeit”

Für den 30. September 1923, einen Sonntag, hatte der „Krieger- und Veteranenverein Altenkunstadt“ nachmittags um halb drei zu einer Einweihung eingeladen. Der 1877 gegründete Verein hatte es geschafft, vor dem Pfarrhaus ein Kriegerdenkmal für die „Heldensöhne des Großen Weltkrieges 1914 – 1918“ aufzustellen.

In der Lokalzeitung wurde von einer „unübersehbaren Menschenmenge“ berichtet. Wer fehlte, war Johann Quinger, seit 1914 katholischer Pfarrer in Altenkunstadt. Er hatte verboten, „vor oder nach der Festivität“ die Glocken läuten zu lassen. Eine kirchliche Segnung mit Weihrauch und Weihwasser hielt er nicht für angebracht, da auf dem Kriegerdenkmal auch Namen von Protestanten und Juden stünden.

Durch Tränen „eingeweiht“

Den Heimatdichter und „Sänger vom Cordigast“ Franz Joseph Ahles aus Burkheim hatte der Kriegerverein zum Festredner bestimmt. Nach der feierlichen Enthüllung verglich Ahles das Denkmal „mit einem Altar, auf dem sich ein betender Krieger opfert und auf dem 56 Namen von Helden aufgezählt sind. Wenn auch nicht Glockenklang, wenn auch nicht Weihrauch und Weihwasser unser Denkmal weihte, so ist es doch geweiht durch die Tränen der Witwen und Waisen und durch das fromme Gedenken aller deutschen Männer“, so der Burkheimer Heimatdichter. Nach dem gemeinsam gesungenen „Lied vom guten Kameraden“ wurde darum gebeten, nicht gleich nach Hause zu gehen. Die Blaskapelle Schmidt aus Marktzeuln gab ein Standkonzert.

„Viel nationales Geschrei“

Die Weigerung von Pfarrer Quinger, an der „feierlichen Enthüllung“ teilzunehmen und dem Kriegerdenkmal den kirchlichen Segen zu geben, war kein Einzelfall. Etliche Pfarrer in der Erzdiözese Bamberg argumentierten damit, Allerseelen, der 2. November, sei für die katholischen Christen der Toten-Gedenktag. Einen eigenen Gedenktag für die gefallenen Soldaten lehnten sie ab. Außerdem hegten sie die Befürchtung, dass dabei „viel nationales Geschrei“ im Vordergrund stünde und ein würdevolles Gedenken an die Verstorbenen zwangsläufig in den Hintergrund treten werde.

Ein Jahr nach dem Ersten Weltkrieg wurde bereits 1919 ein Gedenktag vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge für die gefallenen Soldaten des Weltkrieges vorgeschlagen; landesweit wurde der erste Volkstrauertag aber erst am 28. Februar 1926 begangen. Er sollte fortan immer am Sonntag „Reminiscere“, dem fünften Sonntag vor Ostern, stattfinden. Die Nationalsozialisten machten den Volkstrauertag 1934 zum staatlichen Feiertag, sie nannten ihn „Heldengedenktag“. Das „nationale Geschrei“, von dem Pfarrer Quinger und seine Mitstreiter Anfang der 1920-er Jahre gesprochen hatten, entlud sich zu einem „nationalen Orkan“.

Mit der Trauer um die zahlreichen Opfer des Zweiten Krieges ging der Wunsch nach der Wiederkehr des Trauertages einher; Anfang der 1950-er Jahre wurde er wieder eingeführt. Seit 1990 schützen die Bundesländer den stillen Feiertag gesetzlich.

Denkmäler im 19. Jahrhundert

Dass nach dem Ersten Weltkrieg Kriegerdenkmäler errichtet wurden, war nichts Neues. Es gab sie in Deutschland nach den Einigungskriegen (1864 und 1866) ebenso wie nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Diese hatten weniger die Ehrung der Gefallenen als vielmehr der Ehrung aller, also auch der überlebenden Kriegsteilnehmer, zum Inhalt.

Nach dem gewonnenen Deutsch-Französischen Krieg wurden die mit Ehrenmalen bedachten Soldaten häufig in den Inschriften als „siegreiche Helden“ bezeichnet. Durch die ungleich höhere Zahl an Opfern, die der Erste Weltkrieg im Vergleich mit den vorangegangenen Kriegen gefordert hatte, stand in den Ehrenmälern für die Soldaten 1914–1918 zunächst das Totengedenken im Mittelpunkt. Stifter waren vielerorts die Gemeinden oder Kirchengemeinden und nur selten Kriegervereine. Die Denkmäler befinden sich darum auch zumeist an oder in Kirchen und beschränken sich auch oft auf die Auflistung der Namen der Gefallenen.

Spenden im Inflationsjahr

Obwohl das Denkmal in Altenkunstadt auf Initiative des Krieger- und Veteranenverein erbaut wurde, stand es vor dem Pfarrhaus. Dass die finanziellen Mittel knapp waren, war im Inflationsjahr nicht verwunderlich. Im April 1923 waren in den Schuhfabriken Altenkunstadt und Burgkunstadt und weiteren Betrieben im Bezirk Lichtenfels 1250 Personen von Kurzarbeit betroffen. Im Oktober waren es 28 Betriebe; die Schuhfabriken standen kurz vor Betriebseinstellungen.

Eine Maß Bier im Wirtshaus kostete im Herbst 1923 rund 20 Millionen Mark. Es herrschte eine aufgeheizte Stimmung im Ort, jeder musste schauen, dass er für seinen dicken Packen von Geldscheinen überhaupt noch etwas bekam. Mancherorts war man schon zum Tauschhandel übergegangen. Nicht überraschend, dass man am Nachmittag der Einweihung Spenden für das noch nicht abbezahlte Heldengedenkmal sammelte.

Vor 66 Jahren wurde am 8. Dezember 1957 ein neues Denkmal neben der Kirche errichtet, diesmal mit kirchlichem Segen, gespendet von dem anwesenden Pfarrer Georg Lang. Von dem alten Denkmal finden wir nur noch alte Fotos.

Pfarrer verweigerte Altenkunstadter Kriegerdenkmal den Segen
Einweihung des aktuellen Ehrenmals an der katholischen Kirche am 8. Dezember 1957 – mit kirchlichem Segen des Ortspfarrers Lang. Foto: Repros aus Buch: „Gemeinde Altenkunstadt – Im Wandel der Zeit“

Von Andreas Motschmann

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