„Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege. Der Weihnachtsmann ging heim in seinen Wald.“ So begann Gerd Anthoff seinen Auftritt in der Alten Vogtei Burgkunstadt unter dem Titel „Anthoff liest ... Geschichten zur Winterzeit“.

Den Worten Erich Kästners folgten im Laufe des Kultursonntags der Kulturgemeinde Burgkunstadt, die von der Friedrich-Baur-Stiftung unterstützt wird, viele weitere Prosastücke und Gedichte. Später, im Werk von Hans Bergel, wird ein kleiner Junge, der in einem Rucksack auf dem Rücken seines Vaters steckt, einen ausgewachsenen Karpatenbären im dunklen Winterwald für ebenjenen Weihnachtsmann halten.
Von der winterlichen Großmutter-Stube nach London
Der von Film, Fernsehen und Theater bekannte Schauspieler Gerd Anthoff beleuchtet mit seiner Textauswahl die unterschiedlichsten Facetten der Winterzeit, aber auch der Epochen, der Bevölkerungsschichten und einzelnen Persönlichkeiten. Mal heiter, und doch plötzlich ernst. Mal scheinbar simpel und doch komplex. Da spielt der Knabe Oskar Maria Graf in der winterlich warmen Großmutterstube, da beschreibt Robert Walser fein säuberlich und akribisch den Schnee – und beide Autoren lassen ihre Idylle im Erschrecken enden.

Umgekehrt beobachtet Theodor Fontane eine armselige Szene im vorweihnachtlichen London und träumt sich ein versöhnliches Ende ... Allen gemeinsam sind die herrliche Spannung und die überraschenden Wendungen, die Gerd Anthoff aufs Köstlichste zu präsentieren versteht.
Der herrliche Bass und die exzellente Schauspielkunst machen ihn zu einem ganz besonderen Erzähler, der es schließlich auch schafft, dass das Publikum die aktuell milden Temperaturen ausblendet und sich ganz und gar auf den Winter einstimmt. Man könnte fast meinen, der 76-Jährige kenne den kleinen Jungen, der von seiner ansonsten lieben Großmutter partout keinen Malzzucker bekommt – so aus Oskar Maria Grafs gleichnamiger Erzählung.
Exotischer Hörgenuss und Lautmalerei
Nicht nur Begleitung, sondern eine ganz eigene Hauptrolle erspielte sich auch Erwin Rehling. Der lautmalerischer Geräuscherzeuger verstand es fabelhaft, die unterschiedlichen Stimmungen in den Texten wiederzugeben – mal laut und aufwühlend, mal still und melancholisch.

Dem klassischen Schlagzeug entlockter er dabei oftmals überraschende Töne, indem er zwei Becken auf die Trommeln legte und sie dabei berührte. Doch auch das Spiel auf unterschiedlich großen Glocken sowie das Streichen über das exotische Ghatam sorgte für Hörgenuss.
Viele weitere Erzählungen, etwa von Siegfried Lenz und Kurt Tucholsky, rundeten den unterhaltsamen Abend ab, der nicht nur in die Winterzeit vergangener Tage zurücktrug, sondern auch ganz aktuelle Bezüge mit sich brachte. So fragte das neue Jahr aus Erich Kästners Feder folgendermaßen: „Es träumt von Frieden. Oder träumt´s vom Kriege?“
Der Stummfilmklassiker mit Harald Lloyd und Klavierbegleitung
Der nächste Kultursonntag findet am 12. Februar um 17 Uhr statt: „„Safety Last!“ (Ausgerechnet Wolkenkratzer!) Stummfilmkomödie von Hal Roach mit Harald Lloyd und Richard Siedhoff, Klavier.
Weitere Informationen unter baur-stiftung.de/kultursonntage.html.
Von Corinna Tübel